Geschenke für den Kommissar - Kriminalroman
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Berwald schien nicht begeistert. Widerwillig gab er die Tür frei. „Dann kommen Sie eben schnell rein. Bitte, gehen Sie durch. Sie kennen den Weg.“
Als Karlo ins Wohnzimmer trat, ging sein Blick zuerst nach links, in die Ecke, in der die Kisten standen. Er atmete auf. Der rosa Ordner lag noch obenauf. Gut. Dann inspizierte er die Löcher und begutachtete die Farbe.
„Das ist ja ganz neu gestrichen. Vielleicht müssen wir gar nicht die ganze Wand anlegen. So, Herr Berwald“, er streckte seinem Vermieter die Hand hin, „dann mal bis morgen früh.“
„Bis morgen.“
Als Karlo die Wohnung verließ, schaute ihm der alte Herr nachdenklich hinterher. Irgendwas schien sein neuer Mieter von ihm zu wollen, da war er sich sicher. Aber was hätte das sein sollen? Er hatte keine Idee.
Was sollte man von diesem Kölner bloß halten?
Noch am gleichen Abend konnte Georg Gehring seine Überraschung nicht verbergen, als er Karlo Kölners Stimme am Telefon vernahm. Wäre er noch Polizist gewesen, wäre seine Skepsis größer ausgefallen. Doch so? Er hatte nichts mehr mit Mord und Totschlag zu tun.
Dann aber fiel ihm sein mehr oder weniger betrunkenes Versprechen ein, seinem ehemaligen Kollegen Harald Reichard gewissermaßen beratend zur Seite zu stehen. Und das Gefühl, das eine – nämlich Karlo Kölners Anruf – hätte etwas mit dem anderen – nämlich den Verbrechen, die Reichard aufzuklären hatte – zu tun. Der Kriminalbeamte erwachte wieder in Gehring.
Nach dem Austausch einiger allgemeiner und harmloser Nettigkeiten ergriff Gehring die Offensive. Er blickte sich um und ging zur Wohnungstür. Als er hörte, dass seine Frau in der Küche hantierte, kam er auf den Punkt.
„Mein lieber Herr Kölner. Reden wir doch nicht um den heißen Brei herum. Sie wollen etwas von mir. Was ist es denn diesmal?“
„Nein, Herr Gehring. Sie liegen völlig daneben. Ich will nichts von Ihnen. Ganz im Gegenteil sogar. Ich habe etwas für Sie.“
„Sie denken aber schon daran, dass ich nicht mehr bei der Polizei bin?“
„Aber klar. Ich war doch selbst dabei, als Sie es verkündet haben. Es gibt da allerdings ein paar Sachen, die ich nur Ihnen erzählen kann. Sie wissen doch selbst: Wenn ich hier aufs Revier gehe, kann ich erzählen, was ich will. Da wird alles sofort gegen mich verwendet. Vor allem, wenn diese beiden Knalltüten vor Ort sind – Sie verstehen?“
Gehring verstand durchaus. „Aber Sie könnten mit Herrn Reichard reden.“
„Nein!“, wehrte Karlo ab. „Mit Reichard reden Sie besser selbst. Der nimmt mich auch nicht wirklich ernst. Aber irgendwas Schräges geht hier vor, und man sollte es schleunigst aufklären, damit nicht noch mehr Unglück passiert. Ich kann nicht sagen, was es ist, aber möglicherweise haben Sie eine Idee?“
Als Gehring stumm blieb, setzte Karlo noch hinzu: „Und wenn wir gemeinsam mit Reichard reden.“
„Gut. Dann versuche ich, Reichard zu erreichen. Wann?“
„Ich hätte an morgen Nachmittag gedacht, so um sechzehn Uhr?“
„Wo?“
„Bluesmühle“, schlug Karlo vor. „Da ist um diese Zeit noch nichts los. Da haben wir Ruhe und keiner hört mit. Außer Harry.“
„Gut, Herr Kölner. Ich werde da sein.“
Dienstag, 26. Juni
Baumertstraße
10
Viertel nach zehn stand Karlo vor Berwalds Wohnung und läutete. In der Plastiktüte in seiner Hand befanden sich sämtliche Utensilien, die er brauchte. Berwald öffnete und ließ ihn eintreten. Er wies auf die Wohnzimmertür. „Bitte, Herr Kölner. Fangen Sie einfach an. Ich habe noch ungefähr ein, zwei Stunden zu tun. Wenn Sie mich brauchen, ich bin nebenan in meinem Büro.“
„Ein bisschen Leitungswasser?“
„Hier rechts. Da ist die Küche.“
„Gut. Dann lege ich einfach los.“
„Machen Sie das.“
Karlo ging ins Wohnzimmer und stellte die Tasche ab. Er ließ die Tür offen, vergewisserte sich aber, dass Berwald seine Bürotür geschlossen hatte. So würde er mitbekommen, wenn sein Vermieter nach ihm sehen wollte. Dann schaute er zu den Umzugskisten in der Ecke. Ein Schreck durchfuhr ihn. Etwas hatte sich verändert.
Der rosa Ordner war verschwunden!
„Verdammter Mist“, brummte er verärgert. War seine Aktion jetzt umsonst? Karlo wurde nervös. Er hatte sich ausgemalt, wie leicht es sein würde, den Brief zu fotografieren, der ihm in dem rosa Ordner aufgefallen war. Er vermutete allerdings, dass sich der Ordner noch in der Wohnung befand. Wo hätte ihn Berwald über Nacht auch hinbringen
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