Geschenke für den Kommissar - Kriminalroman
sollen? Eines wurde ihm aber klar. Er sollte den brisanten Inhalt der rosa Papphülle nicht zu Gesicht bekommen. Er hatte recht – da war etwas faul. Und deshalb war der Ordner von Berwald – sicherheitshalber – aus der Schusslinie genommen worden.
Missmutig wandte sich Karlo seiner Arbeit zu. Er packte die Folie aus, um die Kommode vor Verschmutzung zu schützen. Dann besah er sich die beiden Löcher genauer. Plötzlich stutzte er. Er kniff die Augen zusammen und überlegte. Ob das der Polizei aufgefallen war? Er schaute zum Fenster. Von hier aus konnte man die Straße nicht sehen. Das Wohnzimmer lag nicht ebenerdig. Im Treppenhaus musste man erst fünf Stufen erklimmen. Und die Schusskanäle lagen fast waagerecht in der Wand. Von der Straße aus konnte also niemand geschossen haben. Es sei denn, der Täter hätte eine Leiter benutzt, was mehr als unwahrscheinlich war.
Also die Wohnung im Haus gegenüber.
Karlo beschloss, die Löcher vorsichtig nur ganz vorne zu verschließen, um keine Beweismittel zu vernichten. Er war sicher, die von ihm festgestellte Tatsache könnte der Polizei weiterhelfen.
Er breitete die Folie über der Kommode aus. Dann schlug er sie noch einmal zurück und zog neugierig die rechte obere Schublade auf. Und hatte Glück. Die rosa Farbe des gesuchten Ordners stach ihm in die Augen. Er atmete tief durch und tastete nach seinem Handy in der Hosentasche. Nun musste er den Brief nur noch fotografieren, um ihn Gehring zeigen zu können. Vielleicht hatte der eine Idee.
Da bemerkte er den Schatten, der in der Tür auftauchte.
Berwald!
„Was haben Sie an dieser Schublade zu suchen?“ Berwalds Stimme klang schneidend. Für den Bruchteil einer Sekunde froren Karlos Bewegungen ein. Dann hatte er sich wieder im Griff. Er schenkte Berwald nur einen beiläufigen Blick und zog in aller Seelenruhe auch noch die linke Schublade auf. Daraufhin faltete er die Folie über die ganze Breite, stopfte die Falte in die Schubladen und schob sie mit der Hüfte wieder zu.
„So hält das auch ohne Klebeband“, erläuterte er so beiläufig wie möglich. „Ich möchte Ihre schöne Kommode nicht verschmutzen.“
Schuldbewusst versuchte er zu erklären: „Ich muss gestehen, ich habe vergessen, Klebeband mitzubringen.“ Dann klatschte er in die Hände und rief triumphierend aus: „Dumm darf man sein, man muss sich nur zu helfen wissen.“
Er ging in die Hocke und fing an, ein kleines Schälchen mit Gips anzurühren, ohne weiter auf Berwald zu achten. Karlo ließ einige Sekunden verstreichen. Berwald stand immer noch schweigend in der Tür und guckte argwöhnisch. Karlo stand auf, stellte das Schälchen samt der schmalen Spachtel auf der Kommode ab und drehte sich zu seinem Vermieter. Er stemmte die Arme in die Hüften und schaute den Mann in der Tür entrüstet an.
„Was ist? Sie glauben doch nicht etwa, dass ich Ihnen was stehlen will? Hören Sie, ich muss das hier nicht machen. Holen Sie sich eine Firma und bezahlen Sie zweihundert Euro für die Lappalie. Ich wollte Ihnen nur einen Gefallen tun. Und Ihnen etwas für das günstige Zimmer zurückgeben.“ Karlo fing an, seine Sachen zusammenzupacken. Anschließend musterte er seinen Vermieter noch einmal eindringlich. „Und ich dachte, Sie vertrauen Herrn Reinfeld“, beendete Karlo seine Vorstellung.
Nun wirkte Berwald verlegen. Er rang förmlich nach den passenden Worten.
„Jetzt seien Sie doch nicht so empfindlich, Herr Kölner. Ich hatte nur den Eindruck – na ja, ich weiß es auch nicht. Entschuldigen Sie, aber ich habe schon viel erlebt und – jetzt machen Sie schon weiter. Bitte.“
Karlo lenkte ein. „Okay, okay. Schon gut. Ich versteh Sie ja auch ein bisschen. Ich war ja nicht immer ganz brav und Sie wissen das. Aber das ist vorbei. Lange. Ich gehöre jetzt zu den Guten. Das können Sie mir glauben.“
Berwald schaltete den Rückwärtsgang ein. „Na dann. Rufen Sie mich, wenn Sie fertig sind.“ Er schloss die Wohnzimmertür.
Karlo atmete erleichtert auf. Das war knapp. Nicht auszudenken, wenn Berwald ihn beim Fotografieren des Briefs erwischt hätte.
Er griff sich das Schälchen mit dem Gips, stellte es auf dem Boden ab und zog die rechte Schublade wieder auf. Er nahm den Ordner heraus und öffnete ihn. Dann holte er sein Handy hervor. Als er das Foto vom Brief gemacht hatte, bemerkte er ein zweites Blatt darunter. Er zog beide Papiere heraus. Aha, dachte er, als er das zweite Blatt begutachtete, das passt ja hervorragend.
Leider
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