Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)
der Haustür. Ich hatte die Teddyjacke an, aber Mama hatte wie immer sofort gesehen, dass es mir nicht so gut ging, und vertagte die unausweichliche Teddyjacken-Diskussion auf später.
»Über die Jacke reden wir später. Jetzt ruh dich erst mal aus«, flüsterte sie in mein Ohr, als sie mich umarmte.
Ich ging nach oben in mein Zimmer. Fünf Minuten später kam Mama und wir setzten uns auf die Kante von meinem Bett.
»Und, was habt ihr gemacht? Erzähl mal!«
Ich erzählte, dass wir essen waren und einkaufen. Dann musste ich plötzlich weinen und wusste gar nicht, warum.
Mama nahm mich in den Arm und wiegte mich hin und her.
»Mama, sie tut mir doch gar nichts, und schenkt mir doch sogar immer was!«
»Ich weiß, Schatz. Aber es ist schwierig für dich, weil deine Mutter und wir so unterschiedlich sind. Du willst keinem wehtun, und das ist manchmal schwierig. So schwierig, dass es dich traurig macht.«
Ich nickte. Ich hatte Kopfschmerzen.
»Leg dich ein bisschen hin und hör dir eine Kassette an, ja? Und dann essen wir was Leckeres und alles sieht schon wieder besser aus. Was wünschst du dir zum Essen? Lass mich raten, Spaghetti Bolognese?«
Ich nickte.
Sie hielt mir zwei verschiedene Drei-Fragezeichen-Kassetten hin, die ich besonders gerne mochte, und ich entschied mich für Die drei Fragezeichen und der Zauberspiegel. Ich war so froh, dass ich wieder zu Hause war.
Ich stand noch einmal zum Essen auf, dann ging ich ins Bett. Am nächsten Morgen konnte ich nicht in die Schule gehen, weil ich immer noch Kopfschmerzen hatte und gleichzeitig fror und schwitzte. Mama sagte, ich habe Fieber. Ich wusste nicht, warum, und ich wusste auch nicht, was ich dagegen machen sollte: Wenn ich bei meiner Mutter war, war ich danach immer mindestens zwei Tage krank. In der Schule waren sie dann am Mittwoch immer alle nett zu mir.
Am nächsten Samstag sagte Mama beim Frühstück: »Janine, ich wollte dich nicht unnötig aufregen, als du krank warst. Aber jetzt geht’s dir wieder gut und wir haben noch ein Hühnchen miteinander zu rupfen. Du weißt, dass ich mit dieser Teddyjacke nicht einverstanden bin. Darüber haben wir ja schon gesprochen. Ich weiß, dass du sie sehr gerne magst, aber ich finde es nicht okay, dass du dich meiner Entscheidung einfach so widersetzt. Dass du zwei Mütter hast, heißt nicht, dass du sie gegeneinander ausspielen kannst. Du brauchst für diesen Winter eine anständige, warme Jacke. In diesem Teddy-Ding wirst du bloß krank. Deshalb gehen wir heute in die Stadt. Du kannst dir eine schöne Daunenjacke aussuchen. Mit deiner Mutter habe ich schon gesprochen. Die Teddyjacke bringen wir wieder zurück.«
»Nein! Ich will sie behalten! Das ist meine Jacke, du darfst sie mir nicht wegnehmen!«
»Wir haben doch schon darüber gesprochen. Es hat sich nichts daran geändert, was ich gesagt habe: Ich will nicht, dass du mit dieser Jacke rumläufst. Ich finde diese Teddyjacke fürchterlich und es ist mir egal, ob deine Mutter sie gekauft hat. Es geht mir dabei nicht ums Geld, ich hätte sie dir auch kaufen können. Stefan und Kerstin haben schöne Daunenjacken. Du bekommst jetzt auch eine und die Teddyjacke bringen wir zurück.«
»Das ist meine Jacke! Du bist blöd!«, rief ich. Ich war so wütend.
Sie trat einen Schritt zurück und sagte: »Wir wissen beide, dass du das nicht so meinst. Niemand ist blöd. Du nicht, ich nicht und deine Mutter auch nicht. Auch wenn es kurze Zeit deine Jacke war und du dich auf den Kopf stellst: Wir bringen die Teddyjacke heute zurück. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.« Jetzt war sie auch wütend. Ich machte mich los und rannte die Treppe rauf in mein Zimmer.
Ich war nicht lange wütend. Später fuhren wir in die Stadt und brachten die Teddyjacke wieder zurück. Es tat mir total leid um die Jacke, aber irgendwie war ich auch erleichtert, dass sie wieder weg war. Ich hatte sie die restliche Woche, als ich wieder in die Schule ging, gar nicht angezogen, obwohl Mama nichts gesagt hatte. Ich fand sie immer noch schön, aber es hätte sich falsch angefühlt.
Ich bekam eine blaue Daunenjacke. Am Sonntag, als Mama gerade das Mittagessen kochte, schlich ich mich in den Flur, zog die neue Daunenjacke noch einmal an und schaute in den Spiegel. Mama hatte recht. Sie war auch schön. Nicht so auffällig, aber dafür erwachsener. Sie sah aus wie die von Kerstin. Und passte irgendwie auch sehr gut zu mir.
Wir holen dich da raus!
Die Liebe besitzt nicht, noch will
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