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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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sie Besitz sein,
denn die Liebe ist der Liebe genug.
    KHALIL GIBRAN
    Zwei Wochen später, also eine Woche vor Weihnachten, sollte ich das Wochenende schon wieder bei meinen leiblichen Eltern verbringen. Normalerweise war immer mehr Zeit zwischen den Besuchen. Ich hatte keine Ahnung, warum es diesmal anders war. Am Wochenende war dritter Advent und der Kinderchor hatte am Sonntag in der Messe einen Auftritt. Seit drei Wochen übten wir Weihnachtslieder. Bei Sei uns willkommen, Herre Christ durfte ich ein Stück ganz alleine singen. Am Samstag wollten wir eigentlich alle zusammen Plätzchen backen. Sogar Kerstin und Papa hatten versprochen, mitzumachen. Aber meine Mutter hatte am Mittwochabend angerufen:
    »Ich hol dich am Samstagmorgen ab.«
    »Aber am Sonntag singe ich doch mit dem Chor in der Kirche!«, hatte ich gesagt.
    »Das kannst du doch auch ein anderes Mal machen. Ihr singt da doch sowieso die ganze Zeit. Wir holen dich am Samstag morgen ab«, hatte sie geantwortet. Dann hatte sie aufgelegt. Heute war Donnerstag. Papa war gerade nach Hause gekommen und gleich sollte es Abendessen geben. Ich war mit Mama in der Küche und half ihr den Tisch zu decken.
    »Mama, warum muss ich denn am Wochenende zu meiner Mutter? Ich möchte viel lieber hierbleiben«, sagte ich zu Mama.
    »Ja, ich weiß, Schatz, aber da kommen wir nicht drum herum, das muss leider sein.«
    »Warum denn?«
    »Sie ist deine Mutter und kann bestimmen, wann sie dich sehen möchte.«
    »Aber wieso kann ich nicht bestimmen, wann ich sie sehen möchte?«
    »Weil du ein Kind bist und so etwas noch nicht bestimmen kannst.«
    »Aber ich möchte doch so gerne am Sonntag singen!« Ich fand es so ungerecht. Nie durfte ich etwas bestimmen.
    Mama sah mich traurig an. »Es tut mir leid, Schatz, daraus wird wohl nichts. Aber ihr macht doch sicher auch wieder etwas Schönes zusammen. Und mit dem Chor singst du ja öfter, das läuft dir nicht weg.«
    Sie ging in den Keller, um noch schnell die Wäsche aufzuhängen. Ich überlegte. Und wenn ich meiner Mutter einfach sagte, dass ich lieber hierbleiben wollte am Wochenende? Sie könnte mich ja nicht zwingen. Ich konnte es ja wenigstens mal versuchen.
    Ich ging in den Flur. Das Telefon war auf einer kleinen Kommode. Daneben stand ein Stuhl, damit man sich hinsetzen konnte, wenn man länger telefonierte, aber ich blieb stehen. Ich hob ab und wählte die Nummer. Es tutete. Dann meldete sich meine Mutter und ich sagte:
    »Hallo, Mutti, hier ist Janine.«
    »Ach Janine, hallo! Was gibt’s denn? Wir wollen gleich aus dem Haus, also sag schnell, was los ist.«
    »Ich möchte nicht zu euch am Wochenende«, sagte ich leise.
    »Was hast du gesagt? Ich hab dich nicht verstanden, Janine. Sag das bitte noch mal lauter.«
    »Ich will nicht zu euch am Wochenende!«, sagte ich laut. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass meine Mutter die Kellertreppe nach oben kam. Sie sah mich erschrocken an.
    »Aber das haben wir fest ausgemacht. Wir haben doch Onkel Horst und meine Cousinen eingeladen. Das können wir jetzt nicht mehr absagen. Ich hole dich am Samstag ab, wie ausgemacht.«
    Mutti klang ein bisschen sauer. Aber plötzlich war mir das egal.
    »Ich möchte aber nicht. Ich komme nicht mit«, sagte ich jetzt ziemlich laut. Mama lief zu mir, schüttelte heftig mit dem Kopf und machte mir irgendwelche Zeichen.
    »Janine! Ich bin deine Mutter, du tust, was ich dir sage!« Jetzt war sie richtig sauer, aber ich auch!
    »Nein!«, schrie ich und Mama versuchte, mir den Telefonhörer wegzunehmen. Sie sah ängstlich aus. Aber ich drehte mich weg.
    »Ich will am Samstag mit Mama Plätzchen backen und am Sonntag in der Kirche singen! Das kannst du mir nicht wegnehmen! Das war alles schon viel länger ausgemacht!« Ich war jetzt so wütend, dass ich fast heulen musste.
    »Gib mir sofort deine Mutter!«, schrie sie ins Telefon. Ich hielt Mama den Hörer hin. Jetzt hatte ich alles gesagt. Sie schrie jetzt so laut, dass man sie verstehen konnte, auch wenn man nur danebenstand. Ich hörte, wie sie Mama ins Ohr schrie:
    »Ich hole das Kind jetzt sofort! Das hab ich Ihnen immer gesagt! Das reicht jetzt, ich hole sie zurück!«
    Mama versuchte etwas zu sagen, aber am anderen Ende der Leitung schrie plötzlich eine Männerstimme:
    »Wir holen das Kind jetzt da raus! Das ist mein Kind! Wir sind eine Familie! Ihr habt es nicht anders gewollt, jetzt ist es so weit! Wir sind in zehn Minuten da!«
    Dann war es plötzlich still. Meine Mama hielt den Telefonhörer.

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