Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
Vom Netzwerk:
das Gefühl, dass das gar keine Rolle mehr spielte. Dass ihm das ganz egal war und er mich gar nicht als kleines Mädchen sah, wie ich bisher immer gedacht hatte. »Ich muss los, wir sehen uns«, sagte er plötzlich.
    »Ah, äh … ja klar. Mach’s gut.«
    »Bis dann«, sagte er, grinste und drehte sich um.
    »Ja, bis dann«, quetschte ich noch raus, dann war er schon verschwunden. Hatte er gerade wirklich gesagt Wir sehen uns ?
    »Was war denn das jetzt?«
    Das fragte ich mich auch, hätte ich Silvia am liebsten geantwortet.
    »Du grinst ja, als wäre Weihnachten und Geburtstag zusammen. Ich dachte, du findest den voll blöd?«, flüsterte sie.
    Ich hatte völlig vergessen, dass überhaupt noch irgendjemand außer mir in diesem Café saß.
    »Du bist ja knallrot! So blöd ist er wohl doch nicht?«
    »Geht so. Frauenheld halt«, sagte ich, aber ich konnte einfach nicht aufhören zu grinsen. Silvia etwas vorzumachen, hatte sowieso keinen Sinn.
    »Aha. Na ja, egal, was du von ihm hältst. Eins ist mal sicher: Der steht auf dich.«
    »Dass der auf mich steht, ist ungefähr so wahrscheinlich wie, dass die morgen die Grenzen wieder zumachen«, sagte ich, aber ich fühlte mich auf einmal so frei und glücklich wie die gesamte DDR .

Karneval
    Well, we all fall in love
    but we disregard the danger
    though we share so many secrets
    there are some we never tell
    BILLY JOEL
     
    »Echte Fründe ston zesamme,
    ston zesamme su wie ene Jott un Pott
    Echte Fründe ston zesamme,
    ess och dih Jlöck op Jöck un läuf dir fott.
    Fründe, Fründe, Fründe en der Nut,
    jon’er hundert, hundert op e Lut.
    Echte Fründe ston zesamme,
    su wie ene Jott un Pott.«
    Silvia und ich sangen lauthals mit und tanzten im völlig überfüllten Partykeller von ihrer Mutter. Wir liebten die Karnevalhits der Höhner und der Black Fööss, genauso wie die aktuellen Hits aus den Charts. Es tat so gut, mal wieder zu lachen und zu tanzen und alles andere zu vergessen!
    Nach der kurzen Verschnaufpause im Herbst rund um die Maueröffnung war es schnell wieder abwärts gegangen mit der Stimmung bei uns zu Hause. Komischerweise wurde es immer schwieriger, je älter ich wurde. Andere in meinem Alter zofften sich jetzt auch viel mit ihren Eltern, aber ich hatte das Gefühl, dass es bei uns besonders schlimm war. In meiner Familie fühlte ich mich mehr und mehr wie ein Alien. Aber heute war mir das alles egal.
    Wir tanzten zu jedem Lied, auch wenn sich unsere Kostüme langsam, aber sicher in ihre Bestandteile auflösten. Wir waren dieses Jahr beide Piratinnen. Unsere engen schwarzen Jeans hatten wir in hohe Stiefel gequetscht, Kerstin hatte mir eine weiße Rüschenbluse geliehen und auf dem Kopf trugen Silvia und ich jeweils ein Piratenkopftuch. Die Piraten-Augenklappen hatten wir uns mit schwarzem Kajal aufgemalt, sie waren aber schon total verwischt. Ich konnte zwar nur Silvia sehen, mein Gesicht war aber bestimmt mindestens genauso verschmiert. Auf dem Ärmel meiner Bluse war ein großer hellbrauner Cola-Fleck. Aber auch das war völlig egal. Wir grinsten uns an. Hauptsache nicht nachdenken, und nicht zusammenreißen! Endlich wieder eine normale 15-Jährige sein und nicht Janine, das ewige Pflegekind und der angebliche Problemteenie.
    Nach Echte Fründe spielte Silvias Bruder Marco, der heute den DJ machte, Mir sinn kölsche Mädcher – das war natürlich unser Lied! Danach waren die kölschen Lieder vorbei und wir tanzten zu Abba – was Silvia hasste und ich liebte – und Bobbie McFerrins Don’t worry, be happy, dem Megahit aus dem letzten Jahr. Ich schaute auf die Uhr: Mist, schon Viertel vor zehn. Um zehn musste ich zu Hause sein, da war Mama nach wie vor total streng. Zehn Uhr hieß bei ihr wirklich zehn Uhr, keine Minute später, sonst gab es Ärger. In knapp zwei Monaten wurde ich sechzehn, dann durfte ich bis zwölf weg. Ich konnte es kaum noch erwarten! Wenn ich mich von niemandem verabschiedete und ordentlich in die Pedale trat, konnte ich noch ein Lied lang bleiben, rechnete ich. Ich drückte fest die Daumen, dass Marco was Gutes spielte. Einen Moment später schallten die ersten Takte von Michael Jacksons Billy Jean aus der Anlage. Juhu! Das war zwar schon ein bisschen älter, aber trotzdem eins meiner Lieblingslieder. Silvia und ich tanzten weiter.
    Plötzlich wurde die Musik ruhiger und langsamer. Ein romantisches Klavierintro begann. Was war denn in Marco gefahren? Wie sollte man denn dazu tanzen? Zum Glück musste ich sowieso gehen. Each

Weitere Kostenlose Bücher