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Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition)

Titel: Geschenkte Wurzeln: Warum ich mit meiner wahren Familie nicht verwandt bin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Kunze
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ohne gegenseitiges Verständnis.
    ALBERT CAMUS
    Am Freitag vor Dienstbeginn war es endlich so weit: Ich war in meinem Zimmer und packte meine Kisten. Ich hatte seit einigen Wochen einen neuen Freund. Er hieß Thomas, studierte Geographie und war so nett und bodenständig, dass selbst Mama nichts an ihm auszusetzen hatte. Vielleicht lag das aber auch daran, dass sie ihn nur sehr selten zu Gesicht bekam und kaum kannte. Thomas wollte mir morgen helfen, meine Sachen ins Wohnheim zu fahren.
    Mama und Papa hatten zwar auch angeboten, mir zu helfen. Aber ich wollte den Umzug ohne sie machen. Alleine, nur mit meinem Freund. Jetzt begann mein neues Leben und meine neue Selbstständigkeit. Da sollte mir keiner mehr reinquasseln! Ich würde alles selbst bestimmen, und das fing bei der Einrichtung meines kleinen Wohnheimzimmers an.
    Im Schwesternwohnheim gab es zwei Kategorien von Zimmern: die normalen, zu denen die Gemeinschaftsbäder auf dem Flur gehörten, und kleine Appartements, die eine Küchenecke und ein eigenes Bad hatten. Ich hatte ein normales Zimmer und sehr viel gab es da eigentlich gar nicht einzurichten. Bett, Tisch und Schrank standen schon drin. Es ging also vor allem um die Frage, welche Klamotten ich mitnehmen würde, welche Poster, welche Kassetten und was noch für Kleinkram. Eine kleine Lampe, die ein gemütliches Licht machte, kam mit und natürlich der große Spiegel, den ich zu meinem sechzehnten Geburtstag bekommen hatte. Und die Jeans mit den ausgefransten Löchern.
    Mama war in den letzten Tagen richtig nervös gewesen. Wir hatten kaum miteinander gesprochen. Es fiel ihr schwer zu akzeptieren, dass sie nicht mitmischen durfte. Und vielleicht auch, dass ich auszog, obwohl ich noch nicht volljährig war. Während Thomas und ich meine wenigen Kisten zu seinem Auto trugen, das vor dem Haus parkte, machte Mama irgendetwas in der Küche. Aus dem Küchenfenster hatte sie den besten Blick auf die Straße vor dem Haus. Ich wusste, dass sie uns beobachtete.
    Als wir alles eingeräumt hatten, ging ich noch einmal zurück, um Tschüss zu sagen. Ich würde dieses Wochenende ausnahmsweise im Wohnheim bleiben, um mich einzurichten und mich in Ruhe mit allem vertraut zu machen, bevor am Montag der Dienst begann. Mama stand an der Spüle, als ich in die Küche kam.
    »Mama, ich wollte nur kurz …«, begann ich.
    Sie schaute auf und ich sah, dass ihre Augen rot und verheult waren.
    »Peter, komm, es ist so weit«, rief sie durch die offene Tür ins Esszimmer. Ihre Stimme klang rau. Papa kam um die Ecke und legte den Arm um Mama. Jetzt brachen bei ihr alle Dämme. Sie konnte das Schluchzen nicht mehr unterdrücken und legte ihren Kopf auf Papas Schulter.
    Ich hatte einen Kloß im Hals. »Mama …«
    »Ist schon gut, Janine. Es ist nur. Ich hatte gehofft, wir … wir kriegen es besser hin.« Mehr brachte sie nicht heraus, so sehr musste sie weinen. Es war schrecklich, sie so verzweifelt zu sehen.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und brauchte meine ganze Kraft, um mich zusammenzureißen. Das war wohl die Kehrseite meiner neuen Freiheit: Wir waren alle irgendwie gescheitert. Ich war keine junge Erwachsene, die fröhlich auszog, sondern ein Problemteenager, der floh. Das war einfach nur traurig.
    »Ich ruf an, bis bald!«, verabschiedete ich mich leise. Ich wollte so schnell wie möglich weg, damit ich nicht vor meinen Eltern in Tränen ausbrach.
    »Melde dich, wenn wir dir doch helfen sollen«, sagte Papa noch, dann schloss ich die Haustür hinter mir.
    Sobald ich im Auto saß, begann ich zu weinen und konnte nicht mehr aufhören. Thomas nahm meine Hand und drückte sie. Wir blieben noch eine Weile so stehen, ohne loszufahren. Aus dem Augenwinkel sah ich Mama am Küchenfenster stehen. Kurz gab es einen Blickkontakt zwischen uns. Ich hatte das Gefühl, das war ein Abschied für immer. Bei diesem Gedanken blieb mir fast die Luft weg. Ich fühlte mich komplett gescheitert. Es war kein schöner Abschied und nicht das Ende, das ich mir gewünscht hatte.
    Ich weinte die komplette Fahrt zum Wohnheim. Doch als wir uns auf das Bett in meinem neuen Zimmer setzten, beruhigte ich mich langsam wieder. Ich nahm mir vor, ab sofort nicht mehr zurückzuschauen, sondern nach vorne. Und mir den Beginn meines neuen Lebens von nichts und niemandem vermiesen zu lassen. Ich schob die Trauer und die schlechten Gefühle und Erinnerungen weg. Ich beschloss, meine neue Freiheit in vollen Zügen zu genießen.
    Trotz des tränenreichen

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