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Geschichte der deutschen Wiedervereinigung

Geschichte der deutschen Wiedervereinigung

Titel: Geschichte der deutschen Wiedervereinigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Rödder
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tiefgreifender marktwirtschaftlicher Reformen in der DDR» vor. Die Bundesregierung hatte sich mit diesem Schritt auf einen direkten, stufenlosen Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft nach westdeutschem Muster festgelegt und griff damit direkt auf die DDR zu, von der das Angebot den geld- und währungspolitischen Souveränitätsverlust forderte. Das Bonner Einheitskonzept zielte auf eine Wiedervereinigung durch die vollständige Integration der DDR in das bundesdeutsche Modell, um dessen Leistungsfähigkeit für den Aufbau in einem vereintenDeutschland nutzbar zu machen. Damit würde zugleich die Dominanz, die der bundesdeutschen Seite im Prozess der deutschen Einheit kurzfristig zugefallen war, von dauerhafter Art sein, weil in der DDR keine ökonomische und administrative Expertise für die Angleichung der Wirtschaftsordnung und der Sozialsysteme, des Rechtswesens und der inneren Ordnung an die Bundesrepublik vorhanden war.
    Innerhalb von zwei Monaten war die Bonner Regierung zum dominierenden Akteur in der deutschen Frage geworden. Im Oktober und November 1989 war die Bürgerbewegung der DDR noch die treibende Kraft gewesen, während die Bundesregierung vorwiegend reagiert hatte. In der Übergangszeit um die Jahreswende, zwischen Kohls Coups des Zehn-Punkte-Programms Ende November und des Angebots der Währungsunion Anfang Februar, ging die Initiative zunehmend auf die Bundesregierung über, während die reformsozialistische Regierung Modrow und der Runde Tisch mit den Vorstellungen eines «dritten Weges» der DDR auf ein totes Gleis fuhren. Ein entscheidendes Wort hatte freilich die Bevölkerung der DDR zu sprechen: Die vorgezogenen Volkskammerwahlen, die ersten freien Wahlen in der DDR, waren der Moment, in dem die DDR-Bevölkerung ihre maximale Selbstbestimmung erreichte – und das Gesetz des Handelns zugleich in die Hände der Bonner Regierung legte. Vor dem Wahltag hatte es zunächst gar nicht danach ausgesehen.
    Die westliche Dominanz im Einigungsprozess machte sich mit dem massiven Eingreifen der bundesdeutschen Parteien in den Volkskammerwahlkampf der DDR bemerkbar. An die Stelle der kaum organisierten Bürgerbewegung und des zunehmend isolierten Runden Tisches trat die politische Artikulation der ostdeutschen Gesellschaft durch ein Parteiensystem, das nach westdeutschem Vorbild umgestaltet wurde und in dem die Parteien der DDR nach Möglichkeit Verbindungen mit den bundesdeutschen Pendants eingingen.
    Zentrale Bedeutung gewann die Allianz für Deutschland, die unter maßgeblichem Einfluss der westdeutschen CDU am 5. Februar gegen vielfältige innere Widerstände drei unterschiedlichepolitische Strömungen der DDR zusammenbrachte: die ehemalige Blockpartei CDU, die sich Ende 1989 von sozialistischen Vorstellungen gelöst hatte und sich zunehmend an den Vorstellungen der West-CDU orientierte, den aus der Oppositionsbewegung stammenden Demokratischen Aufbruch, der sich eine marktwirtschaftliche und antisozialistische Richtung gegeben hatte, sowie die Deutsche Soziale Union, die sich an der bayerischen CSU orientierte.
    Der Wahlkampf der Allianz lebte von der massiven Unterstützung durch die Bonner CDU-Zentrale, die eine an ostdeutsche Kommunikationsformen angepasste westdeutsche Kampagne unter Großeinsatz der politischen Prominenz aus der Bundesrepublik inszenierte. Insbesondere Helmut Kohl selbst zog als Wahllokomotive, auf ihn als «Kanzler der Einheit», wurde der Wahlkampf fokussiert. Westliche Wahlkampfformen und Sprachmuster beschränkten die politischen Aussagen auf wenige eindeutige Botschaften: «Nie wieder Sozialismus – Ja! – Freiheit und Wohlstand».
    Auch der Wahlkampf des an der bundesdeutschen FDP orientierten «Bundes Freier Demokraten» wurde aus der westdeutschen Parteizentrale gesteuert. Zugkräftigste Figur war der aus Halle stammende Bundesaußenminister Genscher. Die Einzelparteien des Wahlbündnisses traten hingegen kaum ins Bewusstsein: die ehemalige Blockpartei LDPD, die neugegründete FDP der DDR und die vom Neuen Forum abgespaltene «Deutsche Forumpartei».
    Weniger vom Westen gelenkt war der Wahlkampf der in der DDR und innerhalb der Revolution eigenständigeren SPD, die als haushoher Favorit in den Volkskammerwahlkampf ging. Mitte Januar hatte sie ihre Namensangleichung an die westdeutsche Sozialdemokratie vorgenommen, und seitdem orientierte sie sich immer deutlicher an Positionen der West-SPD, war allerdings klarer vereinigungsorientiert. Hinderlich für die SPD

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