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Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy

Titel: Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Réage
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stets dann die Nacht bei ihr zubrachte, ja, nur noch dann, wenn sie am vorhergegangenen Abend bei Sir Stephen gewesen war (Sir Stephen behielt sie die ganze Nacht über nur dann, wenn René nicht in Paris war.) Sie hatte zudem festgestellt, daß er sie an diesen Abenden, wenn auch er bei Sir Stephen war, niemals berührte, es sei denn, um sie für Sir Stephen leicht zugänglich zu machen, sie in ihrer Stellung festzuhalten, wenn sie sich wehrte. Er blieb nur sehr selten und stets angekleidet, wie beim ersten Mal, verhielt sich schweigend, rauchte eine Zigarette nach der anderen, legte Holz im Kamin nach, brachte Sir Stephen zu trinken - er selbst trank jedoch nicht. O spürte, daß er sie beobachtete, wie ein Dompteur das von ihm dressierte Tier beobachtet, das ihm durch seinen blinden Gehorsam Ehre machen soll, oder wie im Beisein eines Fürsten der Leibwächter, eines Bandenchefs der Handlanger die Dirne im Auge behält, die er ihm von der Straße geholt hat. Daß er das Gesicht Sir Stephens beobachtete, nicht das ihre, war der Beweis, daß er hier die Stellung eines Dieners oder eines Akolyten ausübte, und O fühlte sich unter seinen Augen sogar um die Wollust gebracht, in der ihre Züge ertranken: seine Bewunderung und selbst die Dankbarkeit dafür galt Sir Stephen, der diese Wollust erregt hatte, er war glücklich, weil Sir Stephen geruhte, sich an einer Sache zu erfreuen, die er ihm geschenkt hatte. Zweifellos wäre alles viel einfacher gewesen, wenn Sir Stephen die jungen Männer geliebt hätte, und O zweifelte nicht, daß René, der keine Männer liebte, dennoch leidenschaftlich allen noch so geringen oder noch so ungeheuerlichen Forderungen Sir Stephens zu willen gewesen wäre. Aber Sir Stephen liebte nur Frauen. Sie begriff, daß die beiden über ihren Körper, den sie sich teilten, zu einer geheimnisvolleren und vielleicht tieferen Bindung gelangten, als es ein Liebesverhältnis gewesen wäre, zu einer Bindung, deren bloße Vorstellung ihr unerträglich war, deren Realität und Macht sie dennoch nicht leugnen konnte. Warum aber war diese Teilung in gewissem Sinne abstrakt? In Roissy hatte O im gleichen Augenblick, in der gleichen Umgebung René und anderen Männern angehört. Warum verzichtete René in Sir Stephens Gegenwart nicht nur darauf, sie zu nehmen, sondern auch darauf, ihr Befehle zu geben? (Er übermittelte ihr lediglich die Befehle Sir Stephens). Sie stellte ihm die Frage und wußte die Antwort schon im voraus. "Aus Respekt", antwortete René. "Aber ich gehöre dir", sagte O. "In erster Linie gehörst du Sir Stephen." Und das stimmte, zumindest insofern, als die Rechte, die René seinem Freund über sie eingeräumt hatte, total waren, als die kleinsten Wünsche Sir Stephens den Vorrang hatten vor Renés Entscheidungen oder seinen Ansprüchen an sie. Hatte René beschlossen, daß er mit O zu Abend essen und ins Theater gehen wolle, so brauchte Sir Stephen ihn nur eine Stunde zuvor anzurufen um O zu sich zu bestellen und René holte sie am Studio ab, wie sie es vereinbart hatten, aber um sie vor Sir Stephens Tür abzusetzen. Einmal, nur ein einziges Mal, hatte O René gebeten, er möge Sir Stephen einen anderen Tag vorschlagen, weil sie sich so sehr wünschte, René zu einer Abendveranstaltung zu begleiten, die sie gemeinsam besuchen sollten. René hatte es ihr abgeschlagen. "Mein armes Kind, hatte er gesagt hast du noch immer nicht begriffen, daß du nicht mehr dir selbst gehörst und daß nicht mehr ich über dich verfüge?" Er hatte es ihr nicht nur abgeschlagen, er hatte Sir Stephen von Os Bitte unterrichtet und ihn in ihrer Gegenwart gebeten, sie so grausam dafür zu bestrafen, daß sie nie mehr auf den Gedanken käme, widerspenstig zu sein. "Gewiß", hatte Sir Stephen erwidert. Sie waren in dem kleinen, ovalen Zimmer mit dem eingelegten Fußboden, in dem als einziges Möbelstück ein schwarzes Tischchen mit Perlmuttintarsien stand und das an den großen gelbgrauen Salon anschloß. René blieb nicht länger, als die drei Minuten, die er brauchte, um O zu verraten und Sir Stephens Antwort zu hören. Dann winkte er Sir Stephen einen Gruß zu, lächelte O zu und ging. Durchs Fenster sah sie ihn über den Hof gehen; er drehte sich nicht um; sie hörte die Autotür zuschlagen, den Motor aufheulen und sah in einem kleinen Wandspiegel ihr eigenes Bild: sie war weiß vor Verzweiflung und vor Furcht. Dann warf sie mechanisch einen Blick auf Sir Stephen, der ihr die Tür zum Salon aufhielt und

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