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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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kamen zu den Sowjets. Jeder brachte, was ihn schmerzte. Und wen schmerzte nichts? Man verlangte Beschlüsse, erhoffte Hilfe, erwartete Gerechtigkeit, forderte Vergeltung. Fürsprecher, Beschwerdeführer, Bittsteller, Entlarver glaubten, daß nun endlich die feindliche Macht durch eine eigene ersetzt war. Das Volk vertraut dem Sowjet, das Volk ist bewaffnet, also ist der Sowjet die Regierung. So verstanden sie die Sache - und hatten sie etwa nicht recht? "Ein ununterbrochener Strom von Soldaten, Arbeitern, Soldatenfrauen, Kleinhändlern, Bediensteten, Müttern, Vätern öffnete und schloß die
    Türe, suchte, fragte, weinte, forderte, zwang Maßnahmen zu treffen - manchmal genau bezeichnend welche - und verwandelte den Sowjet tatsächlich in eine revolutionäre Macht. Das war durchaus nicht im Interesse und paßte keinesfalls in die Pläne des Sowjets selbst", klagt der uns bekannte Suchanow, der selbstverständlich "nach Kräften gegen diesen Prozeß ankämpfte". Ob mit Erfolg? Ach, er ist gezwungen, gleich zu gestehen: "Der Sowjetapparat begann unwillkürlich, automatisch, gegen den Willen des Sowjets die offizielle Staatsmaschinerie zu verdrängen, die immer mehr im Leerlauf ging." Was aber taten die Doktrinäre der Kapitulation, die Mechaniker des Leerlaufs? "Man war gezwungen, sich damit abzufinden und einzelne Funktionen der Regierung zu übernehmen", gesteht Suchanow melancholisch, "und gleichzeitig die Fiktion aufrechtzuerhalten, als hätte das Mariinski-Palais die Leitung." Das ist es, womit sich diese Leute in einem verelendeten Lande beschäftigten, das in den Flammen des Krieges und der Revolution stand: durch maskeradenhafte Maßnahmen schützten sie das Prestige einer Regierung, die das Volk organisch ausgeschieden hatte. Möge die Revolution umkommen, aber es lebe die Fiktion! Gleichzeitig jedoch stieg die Macht, die diese Männer zur Türe hinausjagten, durchs Fenster zu ihnen zurück, wobei sie sie jedesmal überraschte und in eine lächerliche. oder unwürdige Lage versetzte.
    Noch in der Nacht zum 28. Februar hatte das Exekutivkomitee die monarchistische Presse geschlossen und für Zeitungen Erlaubnispflicht eingeführt. Proteste ertönten. Am lautesten schrien die, die gewohnt waren, allen den Mund zu verstopfen. Nach einigen Tagen stieß das Komitee wieder auf die Frage der Pressefreiheit: soll man reaktionäre Zeitungen erlauben oder nicht? Es entstanden Meinungsverschiedenheiten. Doktrinäre vom Typ Suchanow waren für absolute Pressefreiheit. Tschcheidse war anfangs nicht einverstanden: wie dürfe man die Waffen dem Todfeinde zur unkontrollierbaren Verwendung überlassen? Es war, nebenbei gesagt, keinem in den Sinn gekommen, die Entscheidung der Frage der Regierung anheimzustellen. Das wäre auch gegenstandslos gewesen: die Druckereiarbeiter erkannten nur die Verfügungen des Sowjets an. Am 5. März bestätigte das Exekutivkomitee: die rechte Presse ist zu schließen, das Erscheinen neuer Zeitungen ist von der Genehmigung des Sowjets abhängig zu machen. Aber schon am 10. wurde die Verordnung unter dem Ansturm der bürgerlichen Kreise wieder aufgehoben. "Drei Tage genügten, um zur Vernunft zu kommen", triumphiert Suchanow. Ein unbegründeter Triumph! Die Presse steht nicht über der Gesellschaft. Ihre Existenzbedingungen geben in der Revolution den Gang der Revolution selbst wieder. Wenn diese den Charakter des Bürgerkrieges annimmt oder anzunehmen droht, wird keines der kämpfenden Lager die Existenz der feindlichen Presse auf dem Gebiete ihres Einflusses zulassen, wie es auch nicht die Kontrolle über Arsenale, Eisenbahnen oder Druckereien freiwillig aus der Hand gibt. Im revolutionären Kampfe ist die Presse nur eine der Waffengattungen. Das Recht auf das Wort steht jedenfalls nicht über dem Recht auf das Leben. Die Revolution jedoch eignet sich auch dieses an. Man kann als Gesetz aufstellen, revolutionäre Regierungen sind um so liberaler, um so duldsamer, um so "großmütiger" gegen die Reaktion, je nichtiger ihr Programm, je mehr sie mit der Vergangenheit verknüpft sind, je konservativer ihre Rolle ist. Und umgekehrt: Je grandioser die Aufgaben sind, je größer die Zahl der erworbenen Rechte und Interessen, die durch sie verletzt werden, um so konzentrierter ist die revolutionäre Macht, um so unverhüllter ihre Diktatur. Mag das nun gut oder schlecht sein, aber gerade auf diesen Wegen ist die Menschheit bisher vorwärtsgeschritten.
    Der Sowjet hatte recht, als er die Kontrolle über

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