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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Gesetzlichkeit zu predigen ... unter freiem Himmel. Petrograds Klima begünstigt Platonismus nicht.
    Die Brotschlangen gaben der Revolution den letzten Antrieb. Sie waren auch die erste Gefährdung des neuen Regimes. Schon in der konstituierenden Sitzung des Sowjets war beschlossen worden, eine Ernährungskommission zu schaffen. Die Regierung machte sich wenig Sorgen darüber, wie die Hauptstadt zu ernähren sei. Sie war nicht abgeneigt, sie durch Hunger zu zähmen. Das Ernährungsproblem fiel auch späterhin dem Sowjet zu. Zu seiner Verfügung standen Nationalökonomen und Statistiker mit einiger praktischer Erfahrung, die früher im Dienste wirtschaftlicher und administrativer Organe der Bourgeoisie gewesen waren. In den meisten Fällen waren das Menschewiki des rechten Flügels, wie Gromann und Tscherewanin, oder ehemalige weit nach rechts gerückte Bolschewiki, wie Basarow und Awilow. Aber kaum von Angesicht zu Angesicht vor das Ernährungsproblem der Hauptstadt gestellt, waren sie durch die ganze Situation gezwungen, radikalste Maßnahmen zur Bändigung der Spekulation und zur Organisierung des Marktes vorzuschlagen. In einer Reihe von Sitzungen des Sowjets wurde ein ganzes System von Maßnahmen "des Kriegssozialismus" bestätigt, das die Proklamierung aller Brotvorräte als Staatsgut, Festsetzung von Höchstpreisen für Brot entsprechend ebensolchen Preisen für Industrieprodukte, staatliche Produktionskontrolle und geordneten Warenaustausch mit dem Dorfe zum Inhalt hatte. Die Führer des Exekutivkomitees wechselten besorgte Blicke; da sie nichts vorzuschlagen wußten, schlossen sie sich den radikalen Resolutionen an. Die Mitglieder der Kontaktkommission übermittelten sie dann verlegen der Regierung. Die Regierung versprach, die Sache zu studieren. Aber weder Fürst Lwow noch Gutschkow noch Konowalow hatten Lust zu kontrollieren, zu requirieren, sich selbst und ihre Freunde einzuschränken. Alle wirtschaftlichen Verfügungen des Sowjets zerschellten an dem passiven Widerstand des Staatsapparates, soweit sie nicht durch die lokalen Sowjets eigenmächtig verwirklicht wurden. Die einzige praktische Maßnahme, die der Petrograder Sowjet auf dem Gebiete der Ernährung durchgeführt hatte, bestand in der Einschränkung des Konsumenten durch eine feste Ration: anderthalb Pfund Brot für physische Arbeiter, ein Pfund für die übrigen. Allerdings brachte diese Einschränkung noch fast keine Änderungen in das reale Ernährungsbudget der Hauptstadtbevölkerung: -ein Pfund beziehungsweise anderthalb Pfund - es läßt sich leben. Das Elend täglichen Hungerns steht noch bevor. Die Revolution wird gezwungen sein, nicht monate-, sondern jahrelang den Riemen am eingefallenen Leibe enger und enger zu ziehen. Sie wird diese Prüfung ertragen. Im Augenblick quält sie nicht Hunger, sondern die Ungewißheit, die Unbestimmtheit des Kurses, die Unsicherheit vor dem morgigen Tag. Ökonomische Schwierigkeiten, verschärft durch 32 Kriegsmonate, klopfen an Türen und Fenster des neuen Regimes. Zerrüttung des Transports, Mangel an verschiedenen Arten von Rohstoffen, Abgenutztheit eines großen Teiles des Inventars, bedrohliche Inflation, Desorganisation des Warenumsatzes, das alles erfordert kühne und unaufschiebbare Maßnahmen. Während sie auf der ökonomischen Linie zu diesen gelangten, machten die Versöhnler die Durchführung politisch unmöglich. Jedes Wirtschaftsproblem, dem sie sich verschlossen, verwandelte sich in eine Verurteilung der Doppelherrschaft, und jeder Beschluß, den sie unterzeichnet hatten, verbrannte ihnen unerträglich die Finger.
    Zu einer großen Nachprüfung der Kräfte und Beziehungen wurde die Frage des 8-Stunden-Tages. Der Aufstand hat gesiegt, doch der Generalstreik geht weiter. Die Arbeiter sind ernstlich der Meinung, die Änderung des Regimes müsse eine Änderung auch in ihr Schicksal bringen. Das erregt sofort Besorgnis bei den neuen Herrschern, Liberalen wie Sozialisten. Patriotische Parteien und Zeitungen erheben den Ruf: "Soldaten in die Kasernen, Arbeiter an die Werkbank!" Also bleibt alles beim alten? fragen die Arbeiter. Bis auf weiteres, antworten verlegen die Menschewiki. Doch die Arbeiter begreifen: wenn es nicht sofort Änderungen gibt, später erst recht nicht. Die Sache mit den Arbeitern zu regeln, überläßt die Bourgeoisie den Sozialisten. Sich darauf berufend, daß der errungene Sieg "die Position der Arbeiterklasse in ihrem revolutionären Kampfe in genügendem Maße gesichert

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