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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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die Presse in seinen Händen behalten wollte. Weshalb aber hat er so leicht darauf verzichtet? Weil er überhaupt auf einen ernsten Kampf verzichtet hatte. Er schwieg sich aus über Frieden, über Grund und Boden, sogar über die Republik. Nachdem er der konservativen Bourgeoisie die Macht übergeben hatte, blieb ihm weder Anlaß, die rechte Presse zu fürchten, noch die Möglichkeit, gegen sie zu kämpfen. Dafür aber begann die Regierung mit Hilfe des Sowjets bereits nach wenigen Monaten erbarmungslos gegen die linke Presse vorzugehen. Zeitungen der Bolschewiki wurden eine nach der anderen geschlossen.
    Am 7. März deklamierte Kerenski in Moskau: "Nikolaus II. ist in meinen Händen ... Ein Marat der Russischen Revolution werde ich niemals sein ... Nikolaus II. wird sich unter meiner persönlichen Überwachung nach England begeben ..." Damen warfen Blumen, Studenten klatschten Beifall. Die Massen aber horchten auf Noch nie hatte eine ernste Revolution, das heißt eine solche, die was zu verlieren hatte, den gestürzten Monarchen ins Ausland gelassen. Von den Arbeitern und Soldaten gingen ununterbrochen Forderungen ein: die Romanows zu verhaften. Das Exekutivkomitee fühlte, daß man in diesem Punkte nicht spaßen dürfe.
    Es wurde beschlossen, die Angelegenheit der Romanows müsse der Sowjet in seine Hände nehmen: damit war offen anerkannt, daß die Regierung kein Vertrauen verdiene. Das Exekutivkomitee gab an alle Eisenbahnstrecken den Befehl, Romanow nicht durchlassen: das war es, warum der Zarenzug unterwegs umherirrt! Eines der Exekutivkomiteemitglieder, der Arbeiter Gwosdjew, ein rechtsstehender Menschewik, wurde entsandt, Nikolaus zu verhaften. Kerenski war desavouiert und mit ihm die Regierung. Sie trat aber nicht zurück, sondern unterwarf sich stillschweigend. Schon am 9. März berichtete Tschcheidse dem Exekutivkomitee, die Regierung hätte von dem Gedanken, Nikolaus nach England zu schicken, "Abstand" genommen. Die Zarenfamilie wurde im Winterpalais der Haft unterworfen. So stahl das Exekutivkomitee sich selbst die Macht unter dem Kissen hervor. Von der Front aber kamen immer eindringlichere Forderungen: den ehemaligen Zaren in die Peter-Paul-Festung überzuführen.
    Revolutionen bedeuteten stets Besitzumschichtungen, nicht nur im Wege der Gesetzgebung, sondern auch im Wege von Expropriationen durch die Massen. Die Agrarrevolution vollzog sich in der Geschichte überhaupt nie anders: die legale Reform ging beständig in Begleitung des roten Hahnes. In den Städten war die Rolle der Expropriation kleiner: bürgerliche Revolutionen hatten nicht die Aufgabe, den bürgerlichen Besitz zu erschüttern. Doch gab es kaum eine Revolution, in der die Massen nicht für allgemeine Zwecke von Gebäuden Besitz ergriffen hätten, die den Feinden des Volkes gehörten. Gleich nach der Februarumwälzung tauchten Parteien aus der Illegalität hervor, entstanden Gewerkschaftsverbände, wurden ununterbrochen Meetings abgehalten, alle Stadtbezirke hatten ihre Sowjets - alle brauchten Räume. Die Organisationen nahmen Besitz von unbewohnten Villen der zaristischen Minister oder von leerstehenden Palästen der Zarenballerinen. Die Betroffenen erhoben Beschwerde, oder die Behörden griffen aus eigener Initiative ein. Da die Aneigner aber im Grunde die Macht besaßen, die offizielle Macht hingegen ein Gespenst war, so waren die Staatsanwälte letzten Endes gezwungen, sich an das Exekutivkomitee zu wenden mit dem Ersuchen um Wiederherstellung der verletzten Rechte der Ballerinen, deren unkomplizierte Funktionen von den Mitgliedern der Dynastie aus den Volksmitteln hoch bezahlt worden waren. Wie es sich gehört, setzte man die Kontaktkommission in Bewegung, die Minister tagten, das Exekutivkomitee beriet, es wurden Delegationen zu den Aneignern geschickt - die Sache zog sich monatelang hin.
    Suchanow teilt mit, als "Linker" hätte er an sich nichts gegen die radikalsten gesetzgebenden Eingriffe in den Privatbesitz gehabt, dafür aber wäre er "ein heftiger Feind jeglicher gewaltsamen Aneignungen". Mit solchen Kniffen verhüllten die linken Pechvögel ihren Bankrott. Eine wahrhaft revolutionäre Regierung wäre zweifellos imstande gewesen, durch ein rechtzeitiges Dekret über die Requisitionen von Räumlichkeiten die Zahl der chaotischen Besitzergreifungen auf ein Minimum herabzusetzen. Doch die linken Versöhnler hatten die Macht an die Eigentumsfanatiker abgetreten, um hinterher den Massen vergeblich Achtung vor revolutionärer

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