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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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uneinige Duma erhielt im Jahre 1915 ihre patriotisch-oppositionelle Mehrheit, die den Namen "progressiver Block" annahm. Als sein offizielles Ziel wurde selbstverständlich "die Befriedigung der durch den Krieg hervorgerufenen Bedürfnisse" proklamiert. Von linker Seite hielten sich dem Block fern die Sozialdemokraten und die Trudowiki (Bauernvertreter), von rechter die offenen Schwarzhundertgruppierungen. Alle übrigen Fraktionen der Duma: Kadetten, Progressisten, drei Gruppen Oktobristen, Zentrum und ein Teil der Nationalisten gehörten zum Block oder lehnten sich an ihn an, auch die nationalen Gruppen, wie Polen, Litauer, Muselmanen, Juden und so weiter. Um den Zaren nicht durch die Formel des verantwortlichen Ministeriums abzuschrecken, forderte der Block "eine vereinigte Regierung aus Personen, die das Vertrauen des Landes genießen". Der Innenminister, Fürst Schtscherbatow, bezeichnete den progressiven Block schon damals als eine zeitweilige "Vereinigung, hervorgerufen durch die Gefahren der sozialen Revolution". Um dies zu begreifen, war übrigens nicht viel Scharfsinn notwendig. Miljukow, der an der Spitze der Kadetten und damit auch des oppositionellen Blocks stand, sagte auf der Konferenz seiner Partei: "Wir schreiten über einen Vulkan ... Die Spannung hat die letzte Grenze erreicht ... es genügt ein unvorsichtig hingeworfenes
    Zündholz, um einen schrecklichen Brand zu entfachen ... Wie die Macht auch sein mag - gut oder schlecht -, aber mehr denn je ist jetzt eine feste Macht nötig."
    Die Hoffnung, der Zar werde unter der Last der Niederlagen zu Konzessionen bereit sein, war so groß, daß die liberale Presse im August eine fertige Liste des geplanten "Kabinetts des Vertrauens" veröffentlichte, mit dem Dumavorsitzenden Rodsjanko als Premierminister (nach einer anderen Version war für diese Rolle der Vorsitzende des Semstwover-bandes, Fürst Lwow, auserkoren), Gutschkow als Innenminister, Miljukow als Außenminister, und so weiter. Die Mehrzahl dieser Personen, die für ein Bündnis mit dem Zaren gegen die Revolution vorgesehen waren, wurden anderthalb Jahre später Mitglieder der "revolutionären" Regierung. Solche Späße erlaubte sich die Geschichte mehr als einmal. Diesmal war der Scherz zumindest kurz.
    Durch den Gang der Ereignisse nicht weniger erschrocken als die Kadetten, neigte die Mehrzahl der Minister des Kabinetts Goremykin zu einer Verständigung mit dem progressiven Block. "Eine Regierung, hinter der weder das Vertrauen des Trägers der obersten Macht steht, noch der Armee, der Städte, der Semstwos, des Adels, der Kaufleute oder der Arbeiter, kann nicht nur nicht arbeiten, sondern auch nicht existieren. Das ist eine offensichtliche Absurdität." Mit solchen Worten schätzte Fürst Schtscherbatow im August 1915 jene Regierung ein, deren Innenminister er selbst war. "Man muß nur alles anständig einrichten und ein Schlupfloch offenlassen", sagte der Außenminister Sasonow, "und die Kadetten werden als erste auf eine Verständigung eingehen: Miljukow ist der größte Bourgeois und fürchtet nichts mehr als die soziale Revolution. Wie überhaupt die Mehrzahl der Kadetten um ihr Kapital zittert." Auch Miljukow seinerseits war der Meinung, der progressive Block werde in "manchem nachgeben" müssen. Beide Parteien waren somit bereit, mit sich handeln zu lassen, und alles schien wie geölt. Aber am 29. August reiste der Premier Goremykin - ein von Jahren und Würden beschwerter Bürokrat, ein alter Zyniker, der Politik zwischen zwei Grandes Patiencen machte und für alle Klagen die Ausrede hatte, daß der Krieg ihn "nichts angeht" - mit einem Bericht für den Zaren ins Hauptquartier und kehrte mit der Nachricht zurück, alles und alle müßten auf den Plätzen verbleiben, außer der widerspenstigen Duma, die am 3. September aufzulösen sei. Das Verlesen des Zarenukases über die Dumaauflösung wurde ohne ein Wort des Protestes angehört: die Deputierten brachten ein "Hurra" auf den Zaren aus und gingen auseinander.
    Wie aber konnte die Zarenregierung, die nach ihrem eigenen Geständnis nirgends eine Stütze hatte, sich danach noch über anderthalb Jahre halten? Vorübergehende Erfolge der russischen Truppen übten zweifellos ihre Wirkung, verstärkt durch die des segenspendenden goldenen Regens. Die Erfolge an der Front hörten zwar bald auf, aber die Gewinne im Hinterlande hielten an. Jedoch die Hauptursache für die Festigung der Monarchie zwölf Monate vor ihrem Sturze wurzelte in der

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