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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Regierung die Alliierten "einige Monate zuvor" verständigen, daß sie gezwungen sei, den Krieg zu beenden, und daß Rußland, falls die Alliierten sich weigern sollten Friedensverhandlungen aufzunehmen, einen Separatfrieden mit Deutschland schließen müsse. In seiner schon nach der Revolution verfaßten Beichte spricht Protopopow wie von etwas Selbstverständlichem: "Alle vernünftigen Menschen in Rußland, darunter wohl sämtliche Führer der Partei der "Volksfreiheit" (Kadetten), waren überzeugt, daß Rußland nicht imstande sei, den Krieg fortzusetzen."
    Der Zar, dem Protopopow nach der Rückkehr über Reise und Verhandlungen Bericht erstattete, verhielt sich durchaus zustimmend zur Idee eines Separatfriedens. Nur sah er keinen Grund, die Liberalen zu dieser Sache hinzuzuziehen. Daß Protopopow sich beiläufig selbst der Hofkamarilla anschloß und mit dem progressiven Block brach, ist aus dem persönlichen Charakter dieses Gecken zu erklären, der sich, nach seinen eigenen Worten, in Zar und Zarin und gleichzeitig - in das unerwartet gekommene Ministerportefeuille des Inneren verliebt hatte. Doch die Episode des Protopo-powschen Verrats am Liberalismus ändert nicht im geringsten den Sinn der liberalen Außenpolitik, als einer Vereinigung aus Habgier, Feigheit und Treuebruch.
    Am 1. November versammelte sich wieder die Duma. Die Spannung im Lande war unerträglich geworden. Man erwartete von der Duma entschlossene Schritte. Man mußte etwas tun oder wenigstens sagen. Der progressive Block war wieder einmal gezwungen, zu parlamentarischen Enthüllungen zu greifen. Die wichtigsten Schritte der Regierung von der Tribüne herab aufzählend, fragte Miljukow jedesmal: "Ist es Dummheit oder Verrat?" Hohe Töne verwandten auch die übrigen Deputierten. Die Regierung fand fast keine Verteidiger. Sie antwortete auf ihre Art: Die Dumareden zu drucken wurde untersagt. Darum fanden sie Absatz in Millionen von Exemplaren. Es gab keine Regierungskanzlei, weder im Hinterlande noch an der Front, in der man die verbotenen Reden nicht abschrieb, häufig mit Anmerkungen, die dem Temperament des Abschreibers entsprachen. Das Echo der Debatten vom 7. November war derart, daß die Ent-hüller selbst das Gruseln überkam.
    Eine Gruppe äußerster Rechter, eingefleischter Bürokraten, inspiriert von Durnowo, dem Bezwinger der Revolution von 1905, überreichte in diesem Moment dem Zaren eine programmatische Denkschrift. Das Auge der reicherfahrenen Würdenträger, die eine ernste Polizeischule durchgemacht hatten, sah weit genug und manches nicht schlecht, und wenn ihre Heilrezepte untauglich waren, so nur, weil es gegen die Krankheiten des alten Regimes überhaupt kein Heilmittel gab. Die Autoren der Denkschrift traten gegen jegliche Konzessionen an die bürgerliche Opposition auf, nicht weil die Liberalen etwa zu weit gehen könnten, wie die vulgären Schwarzhundert wähnten, auf die die hohen Reaktionäre von oben herabblickten, nein, das Unglück sei, daß die Liberalen "so schwach, so uneinig und, man muß offen sagen, so unfähig sind, daß ihr Sieg ebenso kurz wie unsicher wäre". Die Schwäche der wichtigsten oppositionellen Partei, der "konstitutionell-demokratischen" (kadettischen), sei schon durch ihren Namen gekennzeichnet: sie nenne sich demokratisch, obwohl sie ihrem Wesen nach bürgerlich sei, während sie in hohem Maße die Partei der liberalen Gutsbesitzer darstelle, habe sie in ihr Programm die zwangsweise Bodenablösung aufgenommen. "Ohne diese Trümpfe aus fremdem Kartenspiel", schrieben die Geheimräte, die ihnen gewohnte Bildersprache gebrauchend, "sind die Kadetten nichts anderes als eine zahlreiche Gesellschaft liberaler Advokaten, Professoren und Beamten verschiedener Ressorts - nichts mehr." Anders die Revolutionäre. Die Anerkennung der Bedeutung der revolutionären Parteien begleitet die Denkschrift mit Zähneknirschen: "Die Gefahr und die Macht dieser Parteien besteht darin, daß sie eine Idee, Geld [!], eine bereite und gutorganisierte Masse besitzen." Die revolutionären Parteien "dürfen auf die Sympathie der Mehrheit der Bauernschaft rechnen, die sogleich mit dem Proletariat gehen wird, wenn die revolutionären Führer ihr fremden Grund und Boden zeigen werden". Was würde unter diesen Bedingungen die Errichtung eines verantwortlichen Ministeriums ergeben? "Die volle und endgültige Zerschlagung der Parteien der Rechten, das allmähliche Verschlingen der Mittelparteien des Zentrums, der liberalen

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