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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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lehrreichsten Index der politischen Geschichte Rußlands. Bei allem Bestreben, den Text nicht durch Zahlen zu belasten, ist es unmöglich, auf die Einfügung einer Tabelle der politischen Streiks in Rußland für die Zeit vom Jahre 1903-1917 zu verzichten. Auf ihren einfachsten Ausdruck gebracht, beziehen sich die Angaben nur auf Betriebe, die der Fabrikinspektion unterstellt waren; Eisenbahnen, Bergwerksindustrie, Handwerks- und überhaupt Kleinbetriebe, ganz abgesehen von der Landwirtschaft, blieben dabei aus verschiedenen Gründen unberücksichtigt. Aber die periodischen Veränderungen der Streikkurve treten dadurch nicht minder deutlich hervor.
    Wir haben vor uns eine in ihrer Art einzig dastehende Kurve der politischen Temperatur einer Nation, die eine große Revolution in ihrem Schoße trägt. In einem rückständigen Lande mit einem an Zahl geringen Proletariat - in den der Fabrikinspektion unterstellten Betrieben sind etwa 11/2 Millionen Arbeiter im Jahre 1905, etwa 2 Millionen im Jahre 1917! - nimmt die Streikbewegung ein solches Ausmaß an, wie es vorher die Welt nirgendwo gekannt hatte. Bei der Schwäche der kleinbürgerlichen Demokratie, der Zersplitterung und politischen Blindheit der Bauernbewegung wird der revolutionäre Arbeiterstreik zu einem Mauerbrecher, den die erwachende Nation gegen das Bollwerk des Absolutismus richtet. 1.843.000 Teilnehmer an politischen Streiks während des einen Jahres 1905 - Arbeiter, die an mehreren Streiks teilgenommen haben, werden hier selbstverständlich wiederholt gezählt -, allein diese Zahl würde gestatten, auf der Tabelle mit dem Finger das Revolutionsjahr zu bezeichnen, selbst wenn wir nichts anderes über Rußlands politischen Kalender wüßten.
    Zahl der Teilnehmer an politischen Streiks
    Jahr/(in Tausenden)
    1903*/87
    1904*/25
    1905/1.843
    1906/651
    1907/540
    1908/93
    1909/8
    1910/4
    1911/8
    1912/550
    1913/502
    1914 (erste Hälfte)/1.059
    1915/156
    1916/310
    1917 (Jan.-Feb.)/575
    * Die Angaben für die Jahre 1903 und 1904 beziehen sich auf Streiks im allgemeinen, wobei die ökonomischen zweifellos überwogen.
    Für das Jahr 1904, das erste Jahr des Russisch-Japanischen Krieges, zeigt die Fabrikinspektion im ganzen nur 25.000 Streikende an. Im Jahre 1905 gaben politische und ökonomische Streikende zusammen 2.863.000, also 115mal soviel als im vorangegangenen Jahr. Dieser verblüffende Sprung bringt an sich auf den Gedanken, daß das Proletariat, durch den Gang der Ereignisse zur Improvisation einer solch unerhörten revolutionären Aktivität gezwungen, um jeden Preis aus seiner Tiefe eine Organisation hervorbringen mußte, die dem Ausmaß des Kampfes und der Grandiosität der Aufgaben entsprach: das waren eben die Sowjets, die, aus der ersten Revolution geboren, zu Organen des allgemeinen Streiks und des Kampfes um die Macht wurden.
    Das im Dezemberaufstand 1905 niedergerungene Proletariat macht heroische Anstrengungen, einen Teil der eroberten Positionen im Laufe der nächsten zwei Jahre zu behaupten, die, wie die Streikziffern zeigen, sich noch unmittelbar an die Revolution anlehnen, aber doch schon Jahre der Ebbe sind. Die vier weiteren Jahre (1908-1911) treten im Spiegel der Streikstatistik als Jahre der siegreichen Konterrevolution auf. Die damit zusammenfallende industrielle Krise erschöpft das ohnehin leergeblutete Proletariat noch mehr. Die Tiefe des Niederganges ist proportional der Höhe des Aufstieges. Die Konvulsionen der Nation finden ihren Ausdruck in diesen einfachen Zahlen.
    Die Belebung der Industrie, die im Jahre 1910 einsetzt, bringt die Arbeiter auf die Beine und gibt ihrer Energie einen neuen Anstoß. Die Zahlen der Jahre 1912-1914 wiederholen fast die Angaben über die Jahre 1905-1907, nur in umgekehrter Ordnung: nicht vom Aufstieg zum Niedergang, sondern vorn Niedergang zum Aufstieg. Auf neuen, höheren historischen Grundlagen - es gibt jetzt mehr Arbeiter, und sie haben mehr Erfahrung - beginnt die neue revolutionäre Offensive. Das erste Halbjahr 1914 nähert sich nach der Zahl der politischen Streikenden merklich dem Kulminationsjahr der ersten Revolution. Doch der Krieg bricht aus und unterbindet jäh diesen Prozeß. Die ersten Monate des Krieges sind durch politische Reglosigkeit der Arbeiterklasse gezeichnet. Doch schon im Frühling 1915 beginnt die Starre zu weichen. Es setzt ein neuer Zyklus politischer Streiks ein, der sich im Februar 1917 in dem Aufstand der Arbeiter und Soldaten entlädt.
    Die heftigen Fluten und Ebben des

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