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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Bolschewiki vom Herbst 1915: Sollte die Revolution in Rußland eine republikanische Regierung an die Macht bringen, die den imperialistischen Krieg fortsetzen will, werden die Bolschewiki gegen die Verteidigung des republikanischen Vaterlandes sein. Heute ist diese Situation eingetreten. "Unsere Losung: keine Unterstützung der Regierung Gutschkow-Miljukow." Mit diesen Worten betrat jetzt Lenin das Territorium der Revolution.
    Die Mitglieder der Provisorischen Regierung sahen jedoch keinen Grund zur Beunruhigung. Nabokow erzählt: "In einer Märzsitzung der Provisorischen Regierung, in der Pause, vor der Fortsetzung eines Gesprächs über die anwachsende bolschewistische Propaganda, erklärte Kerenski, wie üblich hysterisch kichernd: "Wartet nur, Lenin selbst ist unterwegs, da wird es erst richtig beginnen" ... " Kerenski hatte recht: das Richtige sollte erst beginnen. Doch sahen die Minister, nach den Worten Nabokows, keinen Grund zu Beunruhigung: "Allein die Tatsache, sich an Deutschland gewandt zu haben, wird Lenins Autorität dermaßen untergraben, daß man ihn nicht zu fürchten haben wird." Wie üblich, waren die Minister auch hier sehr scharfsichtig.
    Freunde und Schüler reisten nach Finnland, Lenin abzuholen. "Kaum hatte er das Coupé betreten und Platz genommen", erzählt Raskolnikow, ein junger Seeoffizier und Bolschewik, "fiel Wladimir Iljitsch auch schon über Kamenjew her: "Was wird bei euch in der Prawda geschrieben? Wir haben einige Nummern gesehen und tüchtig auf euch geschimpft" ... Das war die Begegnung nach einigen Jahren der Trennung. Doch das hinderte nicht, daß sie herzlich war. Unter Mitwirkung der militärischen Organisation mobilisierte das Petrograder Komitee einige tausend Arbeiter und Soldaten für den festlichen Empfang Lenins. Eine befreundete Panzerwagendivision ordnete für diesen Zweck alle vorhandenen Panzerautos ab. Das Komitee beschloß, in Begleitung der Panzerwagen zum Bahnhof zu gehen: die Revolution hatte bereits die Leidenschaft für diese massigen Ungeheuer geweckt, die in den Straßen der Stadt auf seiner Seite zu haben so vorteilhaft ist.
    Die Beschreibung des offiziellen Empfanges, der im sogenannten Zarenzimmer des Finnländischen Bahnhofs stattfand, bildete eine sehr lebendige Seite der vielbändigen und sonst recht schläfrigen Aufzeichnungen Suchanows. "Ins Zarenzimmer kam oder richtiger stürzte Lenin herein, im runden Hut, mit erfrorenem Gesicht und - einem prächtigen Bukett in der Hand. Als er bis zur Mitte des Zimmers gelaufen war, blieb er plötzlich vor Tschcheidse stehen, als sei er auf ein ganz unerwartetes Hindernis gestoßen. Da trug Tschcheidse, ohne sein bisheriges mürrisches Aussehen zu verändern, folgende nicht nur im Geist und Text, sondern auch im Ton einer Belehrung gehaltene "Begrüßungs"-Rede vor: "Genosse Lenin, im Namen des Petersburger Sowjets und der gesamten Revolution begrüßen wir Sie in Rußland ... Aber wir sind der Ansicht, daß die Hauptaufgabe der revolutionären Demokratie jetzt in der Verteidigung unserer Revolution gegen alle Anschläge, von innen wie von außen, besteht ... Wir hoffen, daß Sie gemeinsam mit uns diese Ziele verfolgen werden." Tschcheidse schwieg. Ich war außer mir vor Überraschung ... Lenin aber wußte sichtlich gut, wie sich all dem gegenüber zu verhalten. Er stand da mit einem Ausdruck, als betreffe all das Geschehene ihn nicht im geringsten: er blickte nach allen Seiten, betrachtete die Gesichter ringsum und sogar die Decke des "Zaren"zimmers, ordnete sein Bukett (das recht wenig mit seiner ganzen Figur harmonierte), und dann, von der Delegation des Exekutivkomitees schon völlig abgewandt, "antwortete" er: "Liebe Genossen, Soldaten, Matrosen und Arbeiter! Ich bin glücklich, in eurer Person die siegreiche Russische Revolution zu begrüßen, euch als die Avantgarde der proletarischen Weltarmee zu begrüßen ... Die Stunde ist nicht fern, wo auf den Ruf unseres Genossen Karl Liebknecht die Völker die Waffen gegen ihre Ausbeuter, die Kapitalisten, richten werden ... Die Russische Revolution, von euch vollbracht, hat eine neue Epoche eingeleitet. Es lebe die sozialistische Weltrevolution ... "
    Suchanow hat recht, - das Bukett harmonierte schlecht mit Lenins Figur, es behinderte ihn zweifellos und beengte ihn durch die Deplaziertheit auf dem grauen Hintergrunde der Ereignisse. Überhaupt liebte Lenin Blumen nicht im Bukett. Doch noch viel mehr mußte ihn dieser offizielle heuchlerisch-belehrende Empfang

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