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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Bruchteile ausländischer Informationen gestützt, eine fertige Analyse der revolutionären Situation enthalten.
    Die Nachrichten der ausländischen Presse ermöglichen ihm bald den Schluß, daß die Provisorische Regierung unter direkter Beihilfe nicht nur Kerenskis, sondern auch Tschcheidses die Arbeiter mit Erfolg betrügt, indem sie den imperialistischen Krieg für einen Landesverteidigungskrieg ausgibt. Am 17. März schickt Lenin durch Vermittlung der Freunde in Stockholm einen von Sorge erfüllten Brief. "Unsere Partei würde sich für ewig mit Schande bedecken, politisch umbringen, wenn sie auf einen solchen Betrug einginge ... Ich werde sogar einen sofortigen Bruch, mit wem auch immer aus unserer Partei, vorziehen, als dem Sozialpatriotismus nachgeben ... " Nach dieser dem Anschein nach unpersönlichen, jedoch auf bestimmte Personen berechneten Drohung beschwört Lenin: "Kamenjew muß begreifen, daß auf ihm welthistorische Verantwortung ruht." Kamenjew wird deshalb genannt, weil es sich um prinzipielle Fragen der Politik handelt. Würde Lenin die praktische Kampfaufgabe meinen, er würde eher an Stalin denken. Doch gerade in jenen Stunden, als Lenin bestrebt war, durch das rauchende Europa hindurch die Spannkraft seines Willens nach Petrograd zu leiten, schwenkte Kamenjew unter Mitwirkung Stalins schroff in die Richtung zum Sozialpatriotismus ab.
    All die Pläne von Schminke, Perücken, fremden und falschen Pässen fielen einer nach dem anderen als undurchführbar weg. Gleichzeitig trat immer konkreter die Idee der Reise durch Deutschland hervor. Dieser Plan erschreckte die Mehrzahl der Emigranten, und zwar nicht nur die Patrioten. Martow und andere Menschewiki wagten nicht, sich der kühnen Initiative Lenins anzuschließen, und fuhren fort, vergeblich an die Türen der Entente zu klopfen. Vorwürfe wegen der Reise durch Deutschland wurden später sogar von vielen Bolschewiken erhoben, infolge der Schwierigkeiten, die der "plombierte Wagen" für die Agitation geschaffen hatte. Lenin schloß von Anfang an die Augen nicht vor den späteren Schwierigkeiten. Krupskaja schrieb kurz vor der Abreise aus Zürich: "Gewiß werden die Patrioten in Rußland ein Geheul anstimmen, aber man muß darauf gefaßt sein." Die Frage stand so: entweder in der Schweiz bleiben oder durch Deutschland reisen. Andere Wege gab es überhaupt nicht. Konnte Lenin da auch nur einen Moment zweifeln? Genau einen Monat später mußten Martow, Axelrod und andere Lenins Spuren folgen.
    In der Organisation dieser ungewöhnlichen Reise durch feindliches Land während des Krieges äußern sich die grundlegenden Züge Lenins als Politiker: Kühnheit des Vorhabens und umsichtige Sorgfalt der Durchführung. In diesem großen Revolutionär lebte ein pedantischer Notar, der jedoch seinen Platz kannte und zur Aufnahme seines Akts in dem Moment schritt, wo dies der Sache der Vernichtung sämtlicher Notariatsakte dienen konnte. Äußerst sorgfältig ausgearbeitete Bedingungen der Reise durch Deutschland bildeten die Basis eines eigenartigen internationalen Vertrages zwischen der Redaktion der Emigrantenzeitung und dem Reiche der Hohenzollern. Lenin fordert für die Durchfahrt volle Exterritorialität: keine Kontrolle über die personale Zusammensetzung der Durchreisenden, ihrer Pässe und ihres Gepäcks, kein Mensch durfte unterwegs den Wagen betreten (daher die Legende vom "plombierten" Wagen). Ihrerseits verpflichtete sich die Emigrantengruppe, in Rußland auf die Freilassung einer entsprechenden Anzahl von Zivilgefangenen, Deutschen und Österreichern, zu dringen.
    Gemeinsam mit einigen ausländischen Revolutionären wurde eine Deklaration ausgearbeitet. "Die russischen Internationalisten, die ... sich jetzt nach Rußland begeben, um dort der Sache der Revolution zu dienen, werden uns helfen, die Proletarier der anderen Länder, insbesondere die Proletarier Deutschlands und Österreich-Ungarns, zur Erhebung gegen ihre Regierungen zu bringen." So lautete das Protokoll, das von Loriot und Guilbeaux für Frankreich, Paul Levi für Deutschland, Platten für die Schweiz, von den schwedischen linken Deputierten und anderen mehr unterschrieben wurde. Unter diesen Bedingungen und Vorsichtsmaßregeln reisten Ende März dreißig russische Emigranten aus der Schweiz ab, selbst unter den Frachten des Krieges eine Fracht von außerordentlicher Explosivkraft.
    In dem Abschiedsbrief an die Schweizer Arbeiter erinnerte Lenin an die Erklärung des Zentralorgans der

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