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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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das Fehlen einer breiten politischen Konzeption verurteilt den willensstärksten Politiker zur Unentschiedenheit beim Eintreten großer und komplizierter Ereignisse. Der Empiriker Stalin ist fremden Einflüssen ausgesetzt nicht von seiten des Willens, sondern des Denkens. So brachten der Publizist ohne Entschlußkraft und der Organisator ohne Horizont im März ihren Bolschewismus bis hart an die Grenze des Menschewismus. Stalin zeigte sich dabei noch weniger befähigt als Kamenjew, im Exekutivkomitee, in das er eintrat, als Vertreter der Partei eine selbständige Position zu entwickeln. In den Protokollen wie in der Presse ist nicht ein Antrag, eine Erklärung, ein Protest enthalten, in denen Stalin, im Gegensatz zur Kriecherei der "Demokratie" vor dem Liberalismus, dem bolschewistischen Standpunkt Ausdruck verliehen hätte Suchanow sagt in seinen Aufzeichnungen: "Bei den Bolschewiki tauchte außer Kamenjew zu dieser Zeit im Exekutivkomitee Stalin auf ... Während seiner bescheidenen Tätigkeit im Exekutivkomitee machte [er] - nicht nur auf mich - den Eindruck eines grauen Hecks, der manchmal trübe schimmerte. Mehr ist über ihn eigentlich nicht zu sagen." Wenn Suchanow Stalin im großen und ganzen sichtlich unterschätzt, so charakterisiert er doch richtig dessen politische Gesichtslosigkeit im versöhnlerischen Exekutivkomitee.
    Am 14. März wurde das Manifest An die Völker der ganzen Welt, das die Februarrevolution im Interesse der Entente deutete und den Triumph des neuen, republikanischen Sozialpatriotismus französischer Marke darstellte, im Sowjet einstimmig angenommen. Das war zweifellos ein Sieg Kamenjew-Stalin, der offensichtlich ohne großen Kampf erreicht worden war. Die Prawda schrieb darüber als von einem "bewußten Kompromiß zwischen den verschiedenen im Sowjet vertretenen Strömungen". Es hätte nur hinzugefügt werden müssen, daß der Kompromiß einen offenen Bruch mit der Strömung Lenins bedeutete, die im Sowjet überhaupt nicht vertreten war.
    Das Mitglied der ausländischen Redaktion des Zentralorgans, Kamenjew, das Mitglied des Zentralkomitees, Stalin, und der Dumadeputierte Muranow, ebenfalls aus Sibirien zurückgekehrt, schoben die alte, zu "linke" Redaktion der Prawda beiseite und nahmen, auf ihre problematischen Rechte gestützt, am 15. März die Zeitung in ihre Hände. Im Programmartikel der neuen Redaktion wurde verkündet, die Bolschewiki würden die Provisorische Regierung entschieden unterstützen, "insofern sie gegen Reaktion und Konterrevolution kämpft". In der Frage des Krieges sprachen sich die neuen Leiter nicht weniger kategorisch aus: solange die deutsche Armee ihrem Kaiser gehorcht, müßte der russische Soldat "fest auf seinem Posten stehen, Kugel mit Kugel und Geschoß mit Geschoß beantworten". "Nicht das inhaltlose "Nieder mit dem Krieg" ist unsere Losung. Unsere Losung ist - der Druck auf die Provisorische Regierung mit dem Ziele, sie zu zwingen ... mit einem Versuch hervorzutreten, alle kämpfenden Länder zur sofortigen Aufnahme von Friedensverhandlungen zu bewegen ... Bis dahin bleibt aber jeder auf seinem Kampfposten!" Idee wie Formulierung sind durch und durch im Geiste der Landesverteidigung. Das Programm des Druckes auf die imperialistische Regierung mit dem Ziele, diese zur friedlichen Handlungsweise "zu bewegen", war das Programm Kautskys in Deutschland, Jean Longuets in Frankreich, Macdonalds in England, keinesfalls aber das Programm Lenins, der zur Niederwerfung der imperialistischen Herrschaft aufrief. In ihrer Verteidigung vor der patriotischen Presse ging die Prawda noch weiter: "Jeglicher "Defätismus"", schrieb sie, "oder richtiger das, was die nicht wählerische Presse unter dem Schutze der zaristischen Zensur mit diesem Namen brandmarkte, starb in dem Augenblick, als in den Straßen Petrograds das erste revolutionäre Regiment erschien." Das war direkt Abgrenzung gegen Lenin. Der "Defätismus" war keinesfalls eine Erfindung der feindlichen Presse unter dem Schutze der Zensur, er wurde von Lenin mit der Formel gegeben: "Die Niederlage Rußlands ist das kleinere Übel." Das Erscheinen des ersten revolutionären Regiments und sogar der Sturz der Monarchie änderte an dem imperialistischen Charakter des Krieges nichts. "Der Tag des Erscheinens der ersten Nummer der umgestalteten Prawda - am 15. März -", erzählt Schljapnikow, "war ein Triumphtag für die Landesverteidiger. Das ganze Taurische Palais, von den Geschäftemachern des Komitees der Reichsduma

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