Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Kreiskommandierenden? Nein, der Charakter und die weitere Laufbahn Kornilows bezeugen, daß den wackeren General stets irgendwer an der Nase herumführte - eine Funktion, die diesmal die Kadettenführer ausübten. Nur im Hinblick auf die Einmischung Kornilows und um diese Einmischung notwendig zu machen, hatten sie auch ihre Massen auf die Straße gerufen. Ein junger Historiker hebt richtig hervor, daß Kornilows Versuch, die Militärschulen auf dem Schloßplatze zusammenzuziehen, nicht mit der wirklichen oder scheinbaren Notwendigkeit zusammenfiel, das Mariinski-Palais gegen eine feindliche Menge zu verteidigen, sondern mit dem Moment des höchsten Aufschwunges der kadettischen Manifestation.
Der Plan Miljukow-Kornilow scheiterte jedoch, und zwar überaus schmählich. So einfältig die Führer des Exekutivkomitees auch waren, so konnte ihnen doch nicht verborgen bleiben, daß es um ihre Köpfe ging. Schon vor dem Eintreffen der Nachricht von den blutigen Zusammenstößen auf dem Newskij hatte das Exekutivkomitee an alle Truppenteile Petrograds und Umgebung telegraphischen Befehl gegeben, ohne Verfügung des Sowjets keine Truppen auf die Straße zu schicken. Jetzt, nachdem die Absichten Kornilows zutage getreten waren, legte das Exekutivkomitee, entgegen all seinen feindlichen Deklarationen, beide Hände an das Steuer, indem es nicht nur vom Kommandierenden sofortige Abberufung der Truppen forderte, sondern außerdem Skobeljew und Filippowski beauftragte, die ausmarschierten Truppen im Namen des Sowjets in die Kasernen zurückzuführen. "Geht in diesen unruhigen Tagen, ohne Aufforderung des Exekutivkomitees, nicht mit Waffen in der Hand auf die Straße. Nur das Exekutivkomitee hat das Recht, über euch zu verfügen." Von nun an muß jeder Befehl über Truppenentsendungen außer der üblichen Order auf einem offiziellen Dokument des Sowjets erteilt und mit der Unterschrift mindestens zweier dazu Bevollmächtigter bekräftigt sein. Es sollte scheinen, daß der Sowjet damit Kornilows Vorgehen unzweideutig als Versuch der Konterrevolution, den Bürgerkrieg zu entfesseln, erläutert hatte. Aber obgleich das Exekutivkomitee durch seinen Befehl das Kreiskommando lahmlegte, dachte es dennoch nicht daran, Kornilow selbst abzusetzen: Durfte man die Vorrechte der Macht antasten? "Es zitterten die Hände." Das junge Regime war von Fiktionen umgeben, wie ein Kranker von Kissen und Kompressen. Vom Standpunkte des Kräfteverhältnisses ist jedoch die Tatsache am lehrreichsten, daß, noch bevor sie Tschcheidses Befehl erhielten, nicht nur die Truppenteile, sondern auch die Offiziersschulen sich geweigert hatten, ohne Sanktion des Sowjets auszurücken. Die hintereinander hagelnden, von den Kadetten nicht vorausgesehenen Unannehmlichkeiten waren die unvermeidliche Folge davon, daß die russische Bourgeoisie zur Zeit der nationalen Revolution eine antinationale Klasse war, - dies ließ sich für kurze Zeit durch die Doppelherrschaft verschleiern, ändern aber konnte man es nicht.
Die Aprilkrise sollte anscheinend eine unentschiedene Partie werden. Dem Exekutivkomitee gelang es, die Massen an der Schwelle der Doppelherrschaft festzuhalten. Ihrerseits erläuterte die erkenntliche Regierung, unter "Garantien" und "Sanktionen" seien internationale Tribunale, Einschränkung der Rüstungen und andere herrliche Dinge zu verstehen. Das Exekutivkomitee benutzte schleunigst diese terminologischen Konzessionen, um mit 34 gegen 19 Stimmen die Frage als erledigt zu erklären. Zur Beschwichtigung seiner aufgescheuchten Reihen wurden von der Mehrheit noch diese Bestimmungen angenommen: die Kontrolle über die Tätigkeit der Provisorischen Regierung sei zu verstärken; ohne vorherige Verständigung des Exekutivkomitees dürfte kein wichtiger Akt erlassen werden; die Zusammensetzung der diplomatischen Vertretung sei radikal zu ändern. Die faktische Doppelherrschaft wurde in die juristische Sprache der Konstitution übersetzt. Die Natur der Dinge blieb jedoch unberührt. Dem linken Flügel gelang es nicht einmal, von der Versöhnler-Mehrheit die Verabschiedung Miljukows durchzusetzen. Alles sollte beim alten bleiben. Über die Provisorische Regierung erhob sich die weit wirksamere Kontrolle der Entente, die anzutasten sich das Exekutivkomitee nicht einmal einfallen ließ.
Am Abend des 21. zog der Petrograder Sowjet das Fazit. Zeretelli berichtete von dem neuen Sieg der weisen Führer, der allen falschen Deutungen der Note vom 27. März ein Ende
Weitere Kostenlose Bücher