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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Arbeiter und die Garnison der Hauptstadt waren keinen Augenblick von der Welle des künstlich aufgewärmten Patriotismus erfaßt. Sein Schauplatz blieb der Newskij-Prospekt "Wir gingen auf den Newskij", erzählt der Soldat Tschinenow in seinen Erinnerungen, "und versuchten gegen die Offensive zu agitieren. Da stürzten sich die Bourgeois mit Schirmen auf uns ... Wir ergriffen die Bourgeois, schleppten sie in die Kasernen ... und sagten ihnen, sie würden morgen an die Front geschickt werden." Das waren schon Zeichen des heranziehenden Ausbruches des Bürgerkrieges: es nahten die Julitage.
    Am 21. Juni beschloß das Maschinengewehrregiment in Petrograd in allgemeiner Versammlung: "Wir werden in der Zukunft nur dann Kommandos an die Front schicken, wenn der Krieg einen revolutionären Charakter tragen wird" ... Auf die Drohung mit Auflösung antwortete das Regiment, es werde vor der Auflösung "der Provisorischen Regierung und der sie unterstützenden Organisationen" nicht haltmachen. Wir vernehmen hier wiederum eine Note der Drohung, die der Agitation der Bolschewiki weit vorauslief.
    Die Chronik der Ereignisse vermerkt unter dem 23. Juni: "Teile der II. Armee erobern die erste und die zweite Schützengrabenlinie des Feindes" ... Und gleich danach: "In der Fabrik von Baranowski (6.000 Arbeiter) sind Neuwahlen für den Petrograder Sowjet vorgenommen worden. An Stelle der drei Sozialrevolutionäre wurden drei Bolschewiki gewählt."
    Gegen Ende des Monats war die Physiognomie des Petrograder Sowjets bereits bedeutend verändert. Allerdings nahm er am 20. Juni noch eine Begrüßungsdelegation für die im Vormarsch begriffene Armee an. Aber mit welcher Mehrheit? 472 gegen 271 Stimmen bei 39 Stimmenthaltungen. Das ist ein völlig neues Kräfteverhältnis, dem wir bisher nicht begegneten. Zusammen mit den linken Grüppchen der Menschewiki und Sozialrevolutionäre bilden die Bolschewiki bereits zwei Fünftel des Sowjets. Das bedeutet, in Betrieben und Kasernen sind die Gegner der Offensive eine unbestrittene Mehrheit.
    Der Wyborger Bezirkssowjet nahm am 24. Juni eine Resolution an, in der jedes Wort ein Hammerschlag ist: "Wir ... protestieren gegen die Abenteuer der Provisorischen Regierung, die für alte Raubverträge die Offensive führt ... und wir schieben der Provisorischen Regierung und den sie unterstützenden Parteien der Menschewiki und Sozialrevolutionäre die ganze Verantwortung für diese Politik der Offensive zu." Der nach der Februarumwälzung zurückgedrängte Wyborger Bezirk rückte jetzt zuversichtlich auf den ersten Platz vor. Im Wyborger Sowjet herrschten die Bolschewiki bereits völlig.
    Jetzt hing alles vom Schicksal der Offensive ab, das heißt von den Schützengrabensoldaten. Welche Veränderungen rief die Offensive im Bewußtsein jener hervor, die sie zu vollziehen hatten? Unbewußt strebten sie nach Frieden. Doch ga-lang es den Regierenden, gerade dieses Streben bis zu einem gewissen Grade, mindestens bei einem Teil der Soldaten und für ganz kurze Zeit, in die Bereitschaft zum Angriff umzuwandeln.
    Die Soldaten hatten nach der Umwälzung von der neuen Macht den baldigen Friedensschluß erwartet und bis dahin sich bereit gefunden, die Front zu halten. Der Frieden jedoch kam nicht. Teils unter dem Einfluß der Bolschewiki, hauptsächlich aber auf der Suche nach eigenen Wegen zum Frieden, begannen die Soldaten Verbrüderungsversuche mit den Deutschen und Österreichern. Nun setzte jedoch gegen die Verbrüderung eine Hetze von allen Seiten ein. Außerdem ergab sich, daß die deutschen Soldaten ihren Offizieren noch lange nicht den Gehorsam verweigerten. So wurde die Verbrüderung, die zu keinem Frieden geführt hatte, stark eingedämmt.
    An der Front herrschte inzwischen faktisch Waffenstillstand, den die Deutschen zu riesigen Truppenverschiebungen an die Westfront benutzten. Die russischen Soldaten beobachteten, wie die feindlichen Schützengräben sich leerten, die Maschinengewehre entfernt, die Kanonen abtransportiert wurden. Darauf eben baute man den Plan der moralischen Vorbereitung der Offensive auf. Man flößte den Soldaten systematisch den Gedanken ein, der Feind sei völlig g:-schwächt, seine Kraft reiche nicht mehr aus, im Westen werde er von Amerika bedrängt, und es genüge unsererseits ein leichter Stoß, damit die feindliche Front auseinanderfalle und wir Frieden bekämen. Die Regierenden glaubten daran nicht eine einzige Stunde. Aber sie verließen sich darauf, daß die Armee, die Hand

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