Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
Vom Netzwerk:
bekennen, denn es kann kein anderes Programm, keinen Ausweg aus der tatsächlich drohenden schrecklichen Katastrophe geben ..." Die Frage war nur, wer dies großartige Programm verwirklichen sollte? Vielleicht die Koalition? Die Antwort erfolgte unverzüglich. Am Tage nach der Annahme des ökonomischen Programms durch das Exekutivkomitee demissionierte, die Türe laut hinter sich zuschlagend, der Minister für Handel und Industrie, Konowalow. Ihn ersetzte vorübergehend der Ingenieur Paltschinski, ein nicht weniger getreuer, doch energischerer Vertreter des Großkapitals. Die Ministersozialisten wagten nicht einmal, ihren liberalen Kollegen das Programm des Exekutivkomitees ernstlich vorzuschlagen. Hatte doch Tschernow vergeblich versucht, das Verbot von Landverkäufen bei der Regierung durchzusetzen!
    In Beantwortung der wachsenden Schwierigkeiten stellte die Regierung ihrerseits ein Programm zur Entlastung Petrograds auf, das heißt, Fabriken und Werkstätten ins Innere des Landes zu verlegen. Das Programm wurde sowohl mit militärischen Erwägungen - der Gefahr der Besetzung der Hauptstadt durch die Deutschen - wie mit ökonomischen -der großen Entfernung Petrograds von den Brenn- und Rohstoffquellen - begründet. Die Entlastung hätte die Liquidierung der Petrograder Industrie für eine Reihe von Monaten und Jahren bedeutet. Der politische Zweck bestand darin, die Avantgarde der Arbeiterklasse über das ganze Land zu zerstreuen. Parallel damit erfand die Militärbehörde Vorwand auf Vorwand für die Entfernung der revolutionären Truppenteile aus Petrograd.
    Paltschinski bemühte sich aus allen Kräften, die Arbeitersektion des Sowjets von den Vorzügen der Entlastung zu überzeugen. Diese Aufgabe ohne oder gegen die Arbeiter zu verwirklichen, war unmöglich; die Arbeiter aber willigten nicht ein. Die Entlastung kam ebensowenig vorwärts wie die Regulierung der Industrie. Der Zerfall vertiefte sich, die Preise stiegen, die stille Aussperrung verbreiterte sich und gleichzeitig damit die Arbeitslosigkeit. Die Regierung kam nicht vom Fleck. Miljukow schrieb später: "Das Ministerium schwamm einfach mit dem Strom, der Strom aber führte in das bolschewistische Bett." Ja, der Strom führte in das bolschewistische Bett.
    Das Proletariat war die hauptsächliche Triebkraft der Revolution. Gleichzeitig formte die Revolution das Proletariat. Das aber brauchte es sehr notwendig.
    Vor uns hat sich die entscheidende Rolle der Petrograder Arbeiter in den Februartagen abgespielt. Die stärksten Kampfpositionen nahmen die Bolschewiki ein. Nach der Umwälzung jedoch rücken sie plötzlich irgendwohin in den Hintergrund. Die politische Rampe besetzen die Versöhnlerparteien. Sie übergeben die Macht der liberalen Bourgeoisie. Das Banner des Blocks ist der Patriotismus. Sein Druck ist so stark, daß die Führung der bolschewistischen Partei, mindestens zur Hälfte, vor ihm kapituliert Mit der Ankunft Lenins ändert sich der Kurs der Partei schroff, und gleichzeitig wächst ihr Einfluß schnell. In der bewaffneten Aprildemonstration versuchen bereits die fortgeschrittenen Abteilungen der Arbeiter und Soldaten, die Ketten des Versöhnlertums zu sprengen. Doch nach der ersten Anstrengung ziehen sie sich zurück. Die Versöhnler bleiben am Steuer.
    Später, nach der Oktoberumwälzung, wurde nicht wenig über das Thema geschrieben, die Bolschewiki verdankten ihren Sieg der kriegsmüden Bauernarmee. Das ist eine sehr oberflächliche Erklärung. Die entgegengesetzte Behauptung käme der Wahrheit näher: wenn die Versöhnler in der Februarrevolution den vorherrschenden Platz einzunehmen vermochten, so vor allem dank der besonderen Stellung, die die Bauernarmee im Leben des Landes innehatte. Würde sich die Revolution in Friedenszeiten entwickelt haben, die führende Rolle des Proletariats hätte von Anfang an einen krasser ausgesprochenen Charakter erhalten. Ohne Krieg wäre der revolutionäre Sieg später gekommen und, sieht man von den Kriegsopfern ab, teurer erkauft worden. Doch für die Überschwemmung mit Versöhnler- und Patriotenstimmungen hätte er keinen Platz übriggelassen. Die russischen Marxisten, die die Eroberung der Macht durch das Proletariat im Verlaufe der bürgerlichen Revolution lange vor den Ereignissen vorausgesagt hatten, waren jedenfalls nicht von vorübergehenden Stimmungen der Bauernarmee, sondern von der Klassenstruktur der russischen Gesellschaft ausgegangen. Diese Prognose hatte sich restlos bestätigt. Nur

Weitere Kostenlose Bücher