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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Autoren: Leo Trotzki
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verständigen, um nötigenfalls, gestützt auf das Maschinengewehrregiment, gerüstet zu sein, Bahnhöfe, Waffenlager, Banken, Post- und Telegraphenamt zu besetzen." Semaschko war Offizier des Maschinengewehrregiments, Rachja ein Arbeiter und wahrer bolschewistischer Kämpfer.
    Daß solche Stimmungen vorhanden waren, ist selbstverständlich. Der gesamte Parteikurs ging auf die Machteroberung, die Frage bestand nur in der Einschätzung der Situation. In Petrograd vollzog sich ein offensichtlicher Umschwung zugunsten der Bolschewiki; in der Provinz entwickelte sich der gleiche Prozeß, nur langsamer; schließlich brauchte die Front noch die Lehre der Offensive, um das Mißtrauen gegen die Bolschewiki abzuschütteln. Lenin beharrte deshalb auf seiner Aprilposition: "Geduldig aufklären."
    In seinen Aufzeichnungen schildert Suchanow den Demonstrationsplan vom 10. Juni als direkte Absicht Lenins, "unter günstigen Umständen" die Macht zu ergreifen. In Wirklichkeit hatten nur einzelne Bolschewiki, die, nach der ironischen Bemerkung Lenins, "ein bißchen linker" als notwendig steuerten, die Frage so zu stellen versucht. Merkwürdigerweise bemüht Suchanow sich nicht einmal, seine willkürlichen Vermutungen mit der politischen Linie Lenins, die in zahlreichen Reden und Artikeln festgelegt war, zu vergleichen. [2]
    Das Büro des Exekutivkomitees verlangte sofort von den Bolschewiki, die Demonstration abzusagen. Mit welchem Recht? Formell konnte die Demonstration offenbar nur durch die Staatsmacht verboten werden. Die aber wagte nicht, auch nur daran zu denken. Wie aber konnte der Sowjet, eine vom Block zweier politischer Parteien geleitete "Privatorganisation", die Demonstration einer dritten Partei verbieten? Das Zentralkomitee der Bolschewiki weigerte sich, das Verlangen zu erfüllen, beschloß aber, den friedlichen Charakter der Demonstration noch schärfer zu betonen. Am 9. Juni wurde in den Arbeitervierteln eine Proklamation der Bolschewiki angeschlagen: "Wir sind freie Bürger, wir haben das Recht zu protestieren, und wir müssen dieses Recht ausnutzen, solange es nicht zu spät ist. Das Recht der friedlichen Demonstration bleibt uns erhalten."
    Die Versöhnler brachten die Frage vor den Kongreß. In diesem Augenblick sprach Tschcheidse die Worte vom verhängnisvollen Ausgang und betonte, daß es nötig sein werde1 die ganze Nacht zu tagen. Das Präsidiumsmitglied Ge-getschkori, ebenfalls ein Sohn der Gironde, schloß seine Rede gegen die Bolschewiki mit dem plumpen Schrei; "Fort mit euren schmutzigen Händen von der großen Sache!" Trotz ihres Verlangens ließ man den Bolschewiki keine Zeit, in dieser Frage eine fraktionelle Beratung abzuhalten. Der Kongreß nahm einen Beschluß an, wonach für die Dauer von drei Tagen jegliche Demonstration verboten sei. Dieser Gewaltakt gegen die Bolschewiki war gleichzeitig ein Usurpationsakt gegen die Regierung: die Sowjets fuhren fort, sich selbst die Macht unter dem Kissen hervorzustehlen.
    In den gleichen Stunden sprach Miljukow auf dem Kosakenkongreß und nannte die Bolschewiki "Hauptfeinde der Russischen Revolution". Ihr Hauptfreund wurde nach der Logik der Dinge Miljukow selbst; der am Vorabend der Februarrevolution bereit gewesen war, eher eine Niederlage von den Deutschen als die Revolution vom russischen Volke hinzunehmen. Auf die Frage der Kosaken, wie man sich den Leninisten gegenüber zu verhalten habe, antwortete Miljukow: "Es ist Zeit, mit diesen Herren Schluß zu machen." Der Führer der Bourgeoisie hatte es sehr eilig. Allerdings blieb ihm tatsächlich nicht viel Zeit zu verlieren.
    Unterdes fanden in den Fabriken und bei den Regimentern Meetings statt, auf denen beschlossen wurde, morgen unter der Losung "Alle Macht den Sowjets" auf die Straße zu gehen. Im Lärm des Sowjet- und des Kosakenkongresses blieb die Tatsache unbeachtet, daß in die Wyborger Bezirksduma von den Bolschewiki 37, vom Block der Sozialrevolutionäre und Menschewiki 22 und von den Kadetten 4 Vertreter gewählt worden waren.
    Vor den kategorischen Beschluß des Kongresses gestellt und noch dazu mit dem geheimnisvollen Hinweis auf den drohenden Schlag von rechts, beschlossen die Bolschewiki, die Frage erneut zu prüfen. Sie hatten eine friedliche Demonstration, nicht aber einen Aufstand beabsichtigt und keine Veranlassung, die verbotene Demonstration in einen halben Aufstand zu verwandeln. Das Kongreßpräsidium seinerseits entschied, Vorkehrungen zu treffen. Einige hundert
    Delegierte wurden in
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