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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Autoren: Leo Trotzki
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Zehnergruppen verteilt und in die Arbeiterviertel und Kasernen geschickt, um die Demonstration abzuwenden; gegen Morgen hatten sie im Taurischen Palais zu erscheinen und das Ergebnis zu prüfen. Dieser Expedition schloß sich das Exekutivkomitee der Bauerndeputierten an und stellte seinerseits 70 Mann.
    Wenn auch auf unerwartete Weise, so hatten die Bolschewiki doch das, was sie wollten, erreicht: die Kongreßdelegierten waren gezwungen, mit den Arbeitern und Soldaten der Hauptstadt Bekanntschaft zu machen. Man ließ den Berg nicht zu den Propheten kommen, also mußten die Propheten zum Berge gehen. Die Begegnung erwies sich als höchst lehrreich. In der Iswestja, der Zeitung des Moskauer Sowjets, gibt ein menschewistischer Korrespondent folgendes Bild: "Die Mehrheit des Kongresses, über 500 seiner Mitglieder, hatte die ganze Nacht kein Auge geschlossen, in Zehnergruppen zerschlagen besuchte sie die Petrograder Fabriken und Truppenteile mit der Aufforderung, von der Demonstration abzusehen. Der Kongreß besitzt in einem großen Teil der Fabriken und Werkstätten und auch bei gewissen Teilen der Garnison keine Autorität ... Die Kongreßmitglieder wurden durchaus nicht immer freundlich, mitunter sogar feindselig empfangen und nicht selten im bösen verabschiedet." Das offizielle Sowjetorgan übertreibt keinesfalls; im Gegenteil, es gibt ein sehr gemildertes Bild der nächtlichen Begegnung zweier Welten.
    Die Petrograder Massen ließen jedenfalls die Delegierten nicht im Zweifel darüber, wer von nun an Demonstrationen ansetzen und absagen konnte. Die Arbeiter des Putilow-Werkes erklärten sich erst dann bereit, den Aufruf des Kongresses gegen die Demonstration anzuschlagen, nachdem sie sich aus der Prawda überzeugt haben würden, daß er dem Beschluß der Bolschewiki nicht widersprach. Das 1. Maschinengewehrregiment das, wie das Putilow-Werk bei den Arbeitern, in der Garnison die erste Geige spielte, nahm nach den Referaten Tschcheidses und Awksentjews, der Vorsitzenden zweier Exekutivkomitees, folgende Resolution an: "Im Einverständnis mit dem Zentralkomitee der Bolschewiki und der Militärischen Organisation vertagt das Regiment sein Hervortreten ... "
    Die Zähmungsbrigaden kamen nach einer schlaflosen Nacht im Zustande völliger Demoralisierung im Taurischen Palais an. Sie hatten damit gerechnet, daß die Autorität des Kongresses unbestreitbar sei, waren aber auf eine Mauer von Mißtrauen und Feindseligkeit gestoßen. "Die Massen sind in der Gewalt der Bolschewiki." "Gegen Menschewiki und Sozialrevolutionäre verhält man sich feindselig." "Man glaubt nur der Prawda." Irgendwo hatte man gerufen: "Wir sind für euch keine Genossen." So berichteten die Delegierten einer nach dem andern, wie sie, obwohl die Schlacht abgesagt worden war, die schwerste Niederlage erlitten hatten.
    Die Massen unterwarfen sich dem Beschluß der Bolschewiki. Doch vollzog sich die Unterwerfung keinesfalls ohne Proteste und sogar Empörung. In einigen Betrieben wurden Resolutionen angenommen, die dem Zentralkomitee eine Mißbilligung aussprachen. Die hitzigsten Parteimitglieder in den Bezirken zerrissen ihre Mitgliedskarten. Das war eine ernste Warnung.
    Die Versöhnler hatten das dreitägige Demonstrationsverbot mit dem Hinweis auf eine monarchistische Verschwörung motiviert, die an die Kundgebung der Bolschewiki anzuhaken beabsichtigte; man sprach davon, daß ein Teil des Kosakenkongresses in die Sache verwickelt sei und daß konterrevolutionäre Truppen sich Petrograd näherten. Es ist nicht weiter verwunderlich, daß die Bolschewiki nach der Absage der Demonstration Aufklärungen über die Verschwörung verlangten. Statt einer Antwort beschuldigten die Kongreßführer die Bolschewiki selbst der Verschwörung. So fand man einen glücklichen Ausweg aus der Lage.
    Es sei zugegeben, daß in der Nacht zum 10. Juni die Versöhnler tatsächlich eine Verschwörung entdeckt hatten, die sie stark erschütterte: die Verschwörung der Massen mit den Bolschewiki gegen die Versöhnler. Jedoch die Unterwerfung der Bolschewiki unter den Kongreßbeschluß ermutigte die Versöhnler und erlaubte ihnen, ihre Panik in Raserei umzuwandeln. Die Menschewiki und Sozialrevolutionäre beschlossen nun, eiserne Energie zu entfalten. Am 10. Juni schrieb die menschewistische Zeitung: "Es ist Zeit, die Leninisten als Abtrünnige und Verräter der Revolution zu brandmarken." Ein Vertreter des Exekutivkomitees trat auf dem Kosakenkongreß auf und bat die Kosaken,
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