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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Autoren: Leo Trotzki
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Besuch der Fabriken und Regimenter durch eure Delegierten", lautete die schriftliche Erklärung der Bol-schewiki an den Kongreß, "könnt ihr darüber nicht im Zweifel sein, daß, wenn die Demonstration unterblieb, so nicht infolge eures Verbotes, sondern weil unsere Partei sie abgesagt hat ... Die Fiktion einer militärischen Verschwörung ist von dem Mitglied der Provisorischen Regierung nur vorgeschoben worden, um die Entwaffnung des Petrograder Proletariats und die Auflösung der Petrograder Garnison durchzuführen ... Auch wenn die Staatsmacht bereits restlos in die Hände des Sowjets übergegangen wäre - was wir anstreben - und der Sowjet versuchen würde, unserer Agitation Ketten anzulegen, so könnte das uns nicht zu passiver Unterwerfung zwingen, sondern dazu, Gefängnis und anderen Strafen entgegenzugehen im Namen der Ideen des internationalen Sozialismus, die uns von euch trennen." Sowjetmehrheit und Sowjetminderheit standen in diesen Tagen Brust an Brust, wie zum entscheidenden Kampfe. Aber beide Parteien machten im letzten Moment einen Schritt zurück. Die Bolschewiki verzichteten auf die Demonstration; die Versöhnler auf die Entwaffnung der Arbeiter.
    Zeretelli blieb unter den Seinen in der Minderheit. Indes hatte er auf seine Art recht. Die Bündnispolitik mit der Bourgeoisie hatte sich jenem Punkt genähert, wo es notwendig wurde, die Massen, die sich mit der Koalition nicht abfinden wollten, zu entkräften. Die Versöhnlerpolitik zum glücklichen Ende, das heißt zur Errichtung der parlamentarischen Herrschaft der Bourgeoisie zu führen, war nicht anders möglich als durch Entwaffnung der Arbeiter und Soldaten. Ze-retelli hatte also recht. Darüber hinaus war er machtlos. Weder die Arbeiter noch die Soldaten hätten die Waffen abgegeben. Folglich hätte man Gewalt gegen sie anwenden müssen. Zeretelli besaß jedoch keine Macht mehr. Er konnte sie, wenn überhaupt, nur aus den Händen der Reaktion erhalten, die im Falle einer erfolgreichen Niederschlagung der Bol-schewiki unverzüglich zur Niederschlagung der Versöhnlersowjets geschritten wäre und nicht versäumt hätte, Zeretelli daran zu erinnern, daß er nur ein ehemaliger Zuchthäusler sei und nichts mehr. Der weitere Verlauf der Dinge wird jedoch zeigen, daß auch die Reaktion eine solche Macht nicht besaß.
    Die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Bolschewiki begründete Zeretelli politisch damit, daß sie das Proletariat von der Bauernschaft trennten. Martow erwiderte ihm: "Nicht aus den Tiefen der Bauernschaft" schöpfte Zeretelli seine Leitgedanken, "die Gruppe rechter Kadetten, die Kapitalistengruppe, die Gutsbesitzergruppe, die Gruppe der Imperialisten, die Bourgeoisie des Westens", sie sind es, die die Entwaffnung der Arbeiter und Soldaten fordern. Martow hatte recht: die besitzenden Klassen hatten mehr als einmal in der Geschichte ihre Ansprüche hinter dem Rücken der Bauernschaft verborgen.
    Seit der Veröffentlichung der Aprilthesen Lenins wurde die Berufung auf die Gefahr der Isolierung des Proletariats von der Bauernschaft das Hauptargument aller jener, die die Revolution zurückzerren wollten. Nicht zufällig hatte Lenin Zeretelli mit den "alten Bolschewiki" auf eine Stufe gestellt.
    In einer im Jahre 1917 veröffentlichten Arbeit schrieb Trotzki zu diesem Thema: "Die Isolierung unserer Partei von den Sozialrevolutionären und Menschewiki, selbst die äußerste, selbst auf dem Wege über Einzelzellen, bedeutet noch keinesfalls die Isolierung des Proletariats von den unterdrückten Bauern- und Stadtmassen. Im Gegenteil, nur die scharfe Gegenüberstellung der Politik des revolutionären Proletariats und der treubrüchigen Abtrünnigkeit der heutigen Sowjetführer ist imstande, die rettende politische Differenzierung in die Bauernmillionen hineinzutragen, die Dorfarmut der verräterischen Leitung der gesicherten sozialrevolutionären Bäuerlein zu entreißen und das sozialistische Proletariat in den wahren Führer der plebejischen, der Volksrevolution zu verwandeln."
    Aber das durch und durch falsche Argument Zeretellis hatte ein zähes Leben. Es erstand am Vorabend der Oktoberrevolution mit verdoppelter Kraft wieder als Argument vieler "alter Bolschewiki" gegen die Umwälzung. Einige Jahre später, als die geistige Reaktion gegen den Oktober einsetzte, wurde Zeretellis Formel zur wichtigsten theoretischen Waffe der Epigonenschule.
    In der gleichen Kongreßsitzung, die über die Bolschewiki in deren Abwesenheit Gericht hielt,
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