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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Autoren: Leo Trotzki
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Schritt die Pläne der Demokraten störten, sah man sich gezwungen, unter dem Schein des Krieges gegen die Bolschewiki einen Krieg gegen das Volk zu eröffnen. So verhängte Zeretelli den Bann über die Kronstädter Matrosen, um von seiner Waage nicht den Kadetten Pepelajew hinunterwerfen zu müssen. Die Koalition wurde mit einer Mehrheit von 543 gegen 126 Stimmen bei 52 Enthaltungen gutgeheißen.
    Die Arbeit der großen und zähen Versammlung im Kadettenkorps-Gebäude war voller Schwung, was Deklarationen anbelangt, von konservativer Kargheit in Beziehung auf die praktischen Aufgaben. Das drückte allen Beschlüssen den Stempel der Hoffnungslosigkeit und Heuchelei auf. Der Kongreß erkannte allen Nationen Rußlands das Selbstbestimmungsrecht zu, den Schlüssel zu diesem problematischen Recht händigte er jedoch nicht den unterdrückten Nationen selbst, sondern der künftigen Konstituierenden Versammlung aus, in der die Versöhnler in der Mehrheit zu sein hofften und vor den Imperialisten genauso zu kapitulieren vorhatten, wie sie es jetzt in der Regierung taten.
    Der Kongreß lehnte es ab, das Dekret über den Achtstundentag anzunehmen. Das Herumstampfen der Koalition auf einer Stelle erklärte Zeretelli mit der Schwierigkeit, die Interessen der verschiedenen Bevölkerungsschichten in Einklang zu bringen. Als sei auch nur eine einzige große Sache in der Geschichte durch "das in Einklangbringen der Interessen" und nicht durch den Sieg der fortschrittlichen Interessen über die reaktionären geschehen!
    Der Sowjetwirtschaftler Gromann brachte am Schluß seine unvermeidliche Resolution ein: über die heranrückende Wirtschaftskatastrophe und die Notwendigkeit staatlicher Regulierung. Der Kongreß nahm diese Ritualresolution an, jedoch nur zu dem Zwecke, um alles beim alten zu belassen.
    "Grimm ist ausgewiesen worden", schrieb Trotzki am 7. Juni, "der Kongreß ging zur Tagesordnung über. Der kapitalistische Profit aber bleibt für Skobeljew und dessen Kollegen in alter Weise unantastbar. Die Ernährungskrise verschärft sich mit jeder Stunde. Auf dem diplomatischen Gebiet erhält die Regierung einen Schlag nach dem anderen. Schließlich droht die so hysterisch verkündete Offensive allem Anschein nach bald als ungeheuerliches Abenteuer über das Volk zusammenzustürzen.
    Wir sind geduldig und wären bereit, die sichtbare Tätigkeit des Ministeriums Lwow-Tereschtschenko-Zeretelli noch eine Reihe von Monaten ruhig weiter zu beobachten. Wir brauchen Zeit für unsere Vorbereitung. Doch der unterirdische Maulwurf wühlt gar schnell. Und unter Beihilfe der "sozialistischen" Minister kann das Problem der Macht viel schneller über die Teilnehmer dieses Kongresses hereinbrechen, als wir alle es ahnen."
    Bestrebt, sich vor den Massen mit einer höheren Autorität zu decken, zogen die Führer den Kongreß in alle schwebenden Konflikte hinein, wodurch sie ihn vor den Augen der Petrograder Arbeiter und Soldaten schonungslos kompromittierten. Eine der lärmendsten Episoden dieser Art war die Geschichte mit der Villa Dumowos, eines alten zaristischen Würdenträgers, der in der Eigenschaft eines Innenministers durch die Niederschlagung der Revolution von 1905 berühmt geworden war. Die leerstehende Villa des verhaßten Bürokraten, dessen Hände obendrein nicht ganz sauber waren, hatten Arbeiterorganisationen des Wyborger Bezirkes besetzt, hauptsächlich des großen Gartens wegen, der ein beliebter Spielplatz der Kinder wurde. Die bürgerliche Presse schilderte die Villa als einen Schlupfwinkel von Pogromi-sten und Banditen, als ein Kronstadt des Wyborger Bezirks. Niemand unterzog sich der Mühe, nachzuprüfen, wie sich die Sache in Wirklichkeit verhielt. Die Regierung, die allen großen Fragen sorgsamst auswich, stürzte sich mit unverbrauchter Leidenschaft auf die Rettung der Villa. Vom Exekutivkomitee wurde eine Sanktion der heroischen Maßnahmen verlangt, die Zeretelli selbstverständlich nicht verweigerte. Der Staatsanwalt erließ einen Befehl, in 24 Stunden die Gruppe der Anarchisten aus der Villa hinauszusetzen. Die Arbeiter, die von den bevorstehenden Kriegsoperationen erfuhren, schlugen Alarm. Die Anarchisten ihrerseits drohten mit bewaffnetem Widerstand. 28 Werkstätten proklamierten einen Proteststreik. Das Exekutivkomitee erließ einen Aufruf, in dem es die Wyborger Arbeiter als Helfershelfer der Konterrevolution brandmarkte. Nach dieser Vorbereitung drangen die Vertreter von Justiz und Miliz in die Löwenhöhle ein. Es
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