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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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zum Vorsitzenden des Ministerrats, Protopopow zum Minister des Innern, den neuen Oberprokureur des Synods, Rajew, und viele andere. Der Gesandte der Französischen Republik, Paléologue, bemühte sich um eine Zusammenkunft mit Rasputin, er küßte sich mit ihm und rief aus: "Voilà un véritable illuminé!", um so der Zarin Herz für die Sache Frankreichs zu erobern. Der Jude Simanowitsch, des "Starez" Finanzagent, den die Kriminalpolizei als einen Spieler und Wucherer in ihren Listen führte, setzte mit Rasputins Hilfe durch, daß ein völlig ehrloses Subjekt, Dobro-wolski, zum Justizminister ernannt wurde. "Sieh Dir die kleine Liste an", schreibt die Zarin an den Zaren über die neuen Ernennungen, "unser Freund bittet, daß Du Dich über all dies mit Protopopow besprichst." Nach zwei. Tagen: "Unser Freund sagt, Stürmer könne noch einige Zeit Vorsitzender des Ministerrats bleiben." Und wieder: "Protopopow verehrt ehrfurchtsvoll unsern Freund und wird gesegnet werden."
    An einem jener Tage, als die Spitzel die Zahl der Flaschen und Frauen registrierten, schrieb die Zarin wehmütig an den Zaren: "Rasputin wird beschuldigt, daß er Frauen geküßt habe, und so weiter. Lies die Apostel - sie haben alle zum Gruße geküßt." Der Hinweis auf die Apostel hätte die Spitzel kaum zu überzeugen vermocht. In einem anderen Briefe geht die Zarin noch weiter: "Während des abendlichen Evangeliums habe ich soviel über unseren Freund nachdenken müssen: wie doch die Buchgelehrten und Pharisäer Christus verfolgen und sich verstellen, als wären sie Vollkommenheiten ... Ja, wahrhaftig, es gilt kein Prophet in seinem Vaterlande."
    Der Vergleich Rasputins mit Christus war in diesem Kreise üblich und nicht zufällig. Die Angst vor den mächtigen Kräften der Geschichte war zu stark, als daß sich das Zarenpaar mit dem unpersönlichen Gott und dem körperlosen Schatten des Christus aus dem Evangelium begnügen konnte. Es bedurfte einer Wiederkunft des "Menschensohnes". Die ausgestoßene, in Agonie liegende Monarchie fand in Rasputin einen Christus nach ihrem Ebenbilde.
    "Hätte es Rasputin nicht gegeben", sagte ein Mann des alten Regimes, der Senator Taganzew. "dann hätte man ihn erfinden müssen." Diese Worte enthalten viel mehr, als ihr Autor geglaubt haben mag. Versteht man unter Hooliganentum den krassesten Ausdruck antisozialer, parasitärer Züge in den Tiefen der Gesellschaft, kann man die Rasputiniade mit vollem Recht als das gekrönte Hooliganentum auf seinem höchsten Gipfel bezeichnen.
    Fußnote von Trotzki
    1. Es sind immer Zar und Zarin gemeint.

Kapitel 5: Die Idee der Palastrevolution
    Weshalb denn haben die herrschenden Klassen, als sie Rettung vor der Revolution suchten, nichts unternommen, um sich vom Zaren und dessen Umgebung zu befreien? Sie haben wohl daran gedacht, doch sie wagten es nicht. Es fehlte ihnen der Glaube an ihre Sache und die Entschlossenheit. Die Idee einer Palastrevolution lag in der Luft, bis sie in der Staatsumwälzung unterging. Man muß bei diesem Punkte verweilen, um sich ein klares Bild von den gegenseitigen Beziehungen zwischen der Monarchie und den Spitzen des Adels, der Bürokratie und der Bourgeoisie am Vorabend der Explosion machen zu können.
    Die besitzenden Klassen waren durch und durch monarchistisch: kraft ihrer Interessen, ihrer Traditionen und ihrer Feigheit. Aber sie wollten eine Monarchie ohne Rasputin. Die Monarchie gab ihnen zur Antwort: Nehmt mich, wie ich bin. Der Forderung nach einem anständigen Ministerium begegnete die Zarin damit, daß sie dem Zaren einen Apfel aus Rasputins Hand ins Hauptquartier sandte und verlangte, der Zar möge ihn zur Festigung seines Willens verzehren. "Erinnere Dich", beschwor sie ihn, "daß sogar Monsieur Philippe (ein französischer Scharlatan und Hypnotiseur) g3-sagt hat, man dürfe keine Konstitution geben, denn das wäre Dein und Rußlands Untergang ..." "Sei Peter der Große, Iwan der Schreckliche, Kaiser Paul - zerdrücke alles unter Dir!"
    Welch ekliges Gemisch aus Angst, Aberglauben und feindseliger Fremdheit gegen das Land! Es könnte allerdings scheinen, daß mindestens in den oberen Schichten die Zarenfamilie nicht gar so einsam war: Ist doch Rasputin stets von einem Gestirn vornehmer Damen umringt, und beherrscht doch das Schamanentum überhaupt die Aristokratie. Aber diese Mystik der Angst verbindet nicht, im Gegenteil, sie trennt. Jeder versucht, sich auf seine Art zu retten. Viele aristokratische Häuser haben ihre

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