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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Mit einer engen Kamarilla bildete sie eine Verschwörung gegen die Duma, gegen die Minister, gegen die Generale des Hauptquartiers, gegen die ganze Welt, teilweise auch gegen den Zaren. Am 6. Dezember 1916 schrieb die Zarin an den Zaren: "... da Du einmal gesagt hast, Du willst Protopopow behalten, wie wagt er (der Premier Trepow) gegen Dich zu sein, -schlag mal mit der Faust auf den Tisch, bleibe fest, sei der Herr, höre auf Dein hartes Weibchen und auf unseren Freund, vertraue uns." Nach drei Tagen abermals: "Du weißt, daß Du im Recht bist, trage den Kopf hoch, befiehl Trepow, mit ihm zu arbeiten ... schlag mit der Faust auf den Tisch." Diese Sätze scheinen wie erfunden. Sie sind jedoch den echten Briefen entnommen. Man könnte sie auch nicht erfinden.
    Am 13. Dezember suggeriert die Zarin dem Zaren wieder: "Nur kein verantwortliches Ministerium, auf das jetzt alle versessen sind. Alles wird ruhiger und besser, man will aber Deinen Arm fühlen. Wie lange Jahre schon sagt man mir immer dasselbe: "Rußland liebt es, die Peitsche zu fühlen", das ist seine Natur!" Die rechtgläubige Hessin mit der Erziehung von Windsor und der Krone von Byzanz auf dem Haupte "verkörpert" nicht nur die russische Seele, sondern verachtet sie auch organisch: seine Natur verlange die Peitsche, schreibt die russische Zarin dem russischen Zaren über das russische Volk, zweieinhalb Monate bevor die Monarchie in den Abgrund stürzt.
    Ihm an Charakterstärke überlegen, steht die Zarin geistig nicht über ihrem Mann, eher sogar unter ihm; mehr noch als er sucht sie die Gesellschaft von Einfältigen. Die enge langjährige Freundschaft, die den Zaren und die Zarin mit dem Hoffräulein Wyrubowa verbindet, zeigt das Maß der geistigen Größe des Selbstherrscherpaares. Wyrubowa nannte sich selber einen Dummkopf, und das war nicht Bescheidenheit. Witte, dem man ein scharfes Auge nicht absprechen kann, charakterisierte sie als "ein ganz gewöhnliches, dummes Petersburger Fräulein, nicht schön, einer Blase aus Butterteig ähnlich". In Gesellschaft dieser Person, der betagte Würdenträger, Gesandte und Finanzleute vor Ehrfurcht vergehend, den Hof machten und die immerhin gescheit genug war, die eigenen Taschen nicht zu vergessen, verbrachten Zar und Zarin ungezählte Stunden, berieten mit ihr Geschäfte, korrespondierten mit ihr und über sie. Sie war einflußreicher als die Reichsduma und selbst die Ministerien.
    Aber die Wyrubowa war nur das Medium des "Freundes", dessen Autorität über den dreien stand. "... das ist meine private Meinung", schreibt die Zarin an den Zaren, "ich werde erfahren, was unser Freund denkt." Die Meinung des Freundes ist nicht privat, sie entscheidet. "... Ich bleibe fest", wiederholt die Zarin nach einigen Wochen, "aber höre auf mich, das heißt auf unseren Freund, und vertraue Dich uns in allem an ... Ich leide für Dich, wie für ein zartes, weichherziges Kind, das der Leitung bedarf, aber auf schlechte Ratgeber hört, während der Mann, der von Gott gesandt, ihm sagt, was zu tun ist."
    "... Gebete und Hilfe unseres Freundes - dann wird alles gut gehen."
    "Wenn wir ihn nicht hätten, alles wäre längst zu Ende, davon bin ich fest überzeugt."
    Der Freund, der von Gott Gesandte, ist Grigorij Rasputin.
    Während der ganzen Regierung Nikolaus' und Alexandras brachte man Wahrsager und Fallsüchtige an den Hof, nicht nur aus ganz Rußland, sondern auch aus anderen Ländern. Es gab besondere hochgestellte Lieferanten, die sich um das jeweilige Orakel gruppierten und neben dem Monarchen ein allmächtiges Oberhaus bildeten. Es mangelte hier nicht an alten Frömmlerinnen gräflichen Namens, an Würdenträgern, die sich nach Ämtern sehnten, an Finanzleuten, die ganze Ministerien pachteten. Die unpatentierte Konkurrenz von seiten der Hypnotiseure und Zauberer eifersüchtig verfolgend, beeilten sich die Hierarchen der orthodoxen Kirche, eigene Wege in das zentrale Heiligtum der Intrige anzulegen. Witte nannte diese regierende Clique, an der er zweimal zerschellte, "die aussätzige Palastkamarilla".
    Je mehr sich die Dynastie isolierte und je verwahrloster der Monarch sich fühlte, um so größer wurde sein Bedürfnis nach jenseitiger Hilfe. Es gibt Wilde, die, um gutes Wetter hervorzurufen, ein an einem Strick befestigtes Brettchen in der Luft herumschwingen. Zar und Zarin nahmen Brettchen zu Hilfe für die mannigfaltigsten Zwecke. Im Zarenwaggon befand sich ein Betraum, ausstaffiert mit Heiligenbildern und -bildchen so

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