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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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die Rolle des obersten Gönners der Palastrevolution vorbestimmt. Das war auch der Grund, weshalb der Zar auf Drängen Rasputins und der Zarin den Großfürsten absetzte und das Oberkommando selbst in die Hand nahm. Aber die Zarin hatte sogar vor einer Zusammenkunft des Neffen mit dem Onkel bei Übergabe der Geschäfte Angst: "Seelchen, sei vorsichtig", schreibt sie dem Zaren ins Hauptquartier, "laß Dich nicht von Nikolascha durch irgendwelche Versprechungen oder sonst was fangen, denk daran, daß Grigorij Dich vor ihm und seinen bösen Leuten gerettet hat ... erinnere Dich im Namen Rußlands, was sie vorhatten: Dich zu verjagen (das ist kein Klatsch, Orlow hatte schon alle Papiere fertig) und mich ins Kloster ... "
    Der Bruder des Zaren, Michail, sagte zu Rodsjanko: "Die ganze Familie ist sich dessen bewußt, wie schädlich Alexandra Feodorowna ist. Den Bruder und sie umgeben ausschließlich Verräter. Alle anständigen Menschen haben sich entfernt. Aber was ist in diesem Falle zu tun?" Freilich, was war in diesem Falle zu tun?
    Die Großfürstin Maria Pawlowna bestand in Gegenwart ihrer Söhne darauf, daß Rodsjanko die Initiative der "Beseitigung" der Zarin auf sich nähme. Rodsjanko schlug vor, dies Gespräch als nicht stattgefunden zu betrachten, sonst müßte er aus Eidespflicht dem Zaren melden, daß die Großfürstin dem Dumavorsitzenden den Vorschlag gemacht habe, die Kaiserin zu beseitigen. So verwandelte der schlagfertige Kammerherr die ganze Frage nach der Ermordung der Zarin in einen netten Salonscherz.
    Das Ministerium selbst stand zeitweise in scharfer Opposition zum Zaren. Schon im Jahre 1915, anderthalb Jahre vor der Umwälzung, wurden bei den Regierungssitzungen Reden geführt, die noch heute unglaublich erscheinen. Der Kriegsminister Poliwanow sagt: "Die Situation retten kann nur eine der Gesellschaft gegenüber versöhnliche Politik. Die gegenwärtigen schwachen Dämme können die Katastrophe nicht abwenden." Der Marineminister Grigorowitsch: "Es ist kein Geheimnis, daß die Armee uns mißtraut und auf eine Änderung wartet." Der Minister des Auswärtigen, Sasonow: "Die Popularität des Zaren und seine Autorität in den Augen der Volksmassen ist stark erschüttert." Der Minister des Inneren, Fürst Schtscherbatow: "Wir sind alle zusammen ungeeignet, Rußland in dieser sich herausbildenden Situation zu verwalten ... Es ist entweder eine Diktatur oder eine versöhnliche Politik notwendig" (Sitzung vom 21. August 1915). Schon konnte weder das eine noch das andere helfen, weder das eine noch das andere war durchführbar. Der Zar entschloß sich nicht zu einer Diktatur, lehnte eine versöhnliche Politik ab und nahm die Demission der Minister, die sich als ungeeignet bezeichneten, nicht an. Ein höherer Beamter gibt in seinen Aufzeichnungen zu den Reden der Minister folgenden kurzen Kommentar: Man wird wohl an der Laterne hängen müssen.
    Bei einer solchen Stimmung ist es nicht weiter verwunderlich, daß man sogar in den bürokratischen Kreisen von der Notwendigkeit einer Palastrevolution sprach, als dem einzigen Mittel, der heraufziehenden Revolution vorzubeugen. "Hätte ich die Augen verbunden gehabt", erinnert sich ein Teilnehmer dieser Debatten, "ich hätte glauben können, mich in Gesellschaft eingefleischter Revolutionäre zu befinden."
    Ein Gendarmerieoberst, der mit der besonderen Aufgabe betraut war, im Süden Rußlands die Armee zu inspizieren, entwarf in seinem Bericht ein düsteres Bild: Durch Propaganda, insbesondere mit dem Argument der Deutschfreundlichkeit der Kaiserin und des Zaren, sei die Armee für eine Palastrevolution vorbereitet. "Derartige Gespräche wurden in Offizierskasinos offen geführt und fanden seitens des höheren Kommandos keine Zurückweisung." Protopopow gibt seinerseits folgendes Zeugnis ab: "Eine beträchtliche Anzahl von Personen aus dem höheren Kommandobestand sympathisierte mit der Umwälzung; einzelne Personen standen in Verbindung und unter Einfluß des sogenannten progressiven Blocks."
    Der später zur Berühmtheit gelangte Admiral Koltschak sagte nach Zertrümmerung seiner Truppen durch die Rote Armee vor der Untersuchungskommission der Sowjets aus, daß er mit zahlreichen oppositionellen Mitgliedern der Duma in Verbindung gestanden und deren Hervortreten begrüßt habe, da er sich "gegen die Macht, die vor der Revolution existierte, ablehnend verhielt". In die Pläne der Palastrevolution war Koltschak jedoch nicht eingeweiht.
    Nach der Ermordung Rasputins

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