Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
katzbuckelnden Advokaten der Französischen Republik und die Sympathien der Reaktionäre teutonischen wie slawischen Namens für den echt preußischen Geist des Berliner Regimes, der ihnen so lange Zeit mit seinem gewichsten Schnurrbart, seinen Feldwebelmanieren und seiner selbstbewußten Dummheit imponiert hatte.
Aber auch das war nicht für die Frage entscheidend. Die Gefahr ergab sich aus der Logik der Situation selbst, denn der Hof konnte nichts anderes tun, als in einem Separatfrieden Rettung suchen, und zwar um so dringlicher, je bedrohlicher die Lage wurde. Der Liberalismus war, wie wir später noch sehen werden, in der Person seiner Führer bestrebt, die Chance des Separatfriedens für sich zu reservieren, in Verbindung mit der Perspektive, an die Macht zu gelangen. Und gerade deshalb führte er eine wilde chauvinistische Agitation, das Volk betrügend und den Hof terrorisierend. Die Kamarilla wagte nicht, in einer so heiklen Frage vorzeitig ihr wahres Antlitz zu zeigen, und war sogar gezwungen, den allgemeinen patriotischen Ton nachzuahmen, während sie gleichzeitig den Boden für einen Separatfrieden abtastete.
Das Oberhaupt der Polizei, General Kurlow, der zur Rasputinschen Kamarilla gehörte, bestreitet natürlich in seinen Erinnerungen die deutschen Verbindungen und Sympathien seiner Gönner, aber er fügt gleich hinzu: "Man kann Stürmer keinen Vorwurf daraus machen, daß er der Meinung war, der Krieg mit Deutschland sei das größte Unglück für Rußland gewesen und habe keine ernsten politischen Grundlagen für sich gehabt." Man darf nur nicht vergessen, daß der Mann, der diese interessante "Meinung" gehabt hat, das Oberhaupt einer Regierung war, die gegen Deutschland Krieg führte. Der letzte zaristische Innenminister, Protopopow, hatte am Vorabend seines Eintritts in die Regierung in Stockholm Verhandlungen mit einem deutschen Diplomaten geführt und darüber dem Zaren Bericht erstattet. Rasputin selbst hat nach den Worten desselben Kurlow "den Krieg mit Deutschland als ein großes Unglück für Rußland betrachtet". Schließlich schrieb die Kaiserin am 5. April 1916 an den Zaren: "... sie dürfen es nicht wagen zu behaupten, daß Er irgend etwas Gemeinsames mit den Deutschen hat, Er ist gut und großherzig gegen alle, wie Christus, gleichviel zu welcher Religion ein Mensch gehört; so muß ein wahrer Christ sein."
Gewiß konnten sich an diesen wahren Christen, der aus dem Zustand der Betrunkenheit nie herauskam, neben Falschspielern, Wucherern und aristokratischen Kupplern auch ausgesprochene Spione herangemacht haben. "Verbindungen" solcher Art sind nicht ausgeschlossen. Die oppositionellen Patrioten aber stellten die Frage breiter und präziser: sie beschuldigten die Zarin direkt des Verrates. In seinen viel später geschriebenen Erinnerungen bekundet der General Denikin: "In der Armee sprach man laut, ohne Rücksicht auf Ort und Zeit, von der beharrlichen Forderung der Zarin nach einem Separatfrieden, von ihrem Verrat an dem Feldmarschall Kitchener, über dessen Reise sie angeblich den Deutschen Mitteilung gemacht hätte, und so weiter. Dieser Umstand war von größter Bedeutung für die Stimmung in der Armee, in bezug auf deren Haltung gegenüber Dynastie und Revolution." Der gleiche Denikin erzählt, daß General Alexejew nach der Umwälzung auf die direkte Frage betreffs des Verrates der Kaiserin "unbestimmt und unwillig" geantwortet habe, man hätte bei der Sichtung der Papiere der Zarin eine Karte mit genauer Aufzeichnung der Truppen der gesamten Front vorgefunden, und dies hätte auf ihn, Alexejew, einen sehr deprimierenden Eindruck gemacht ... "Nicht ein Wort mehr", fügt Denikin vielsagend hinzu, "er wechselte das Gesprächsthema." Ob die Zarin die geheimnisvolle Karte wirklich besessen hat, läßt sich nicht feststellen, jedenfalls waren die unbeholfenen Generale offensichtlich nicht abgeneigt, einen Teil der Verantwortung für ihre Niederlagen auf die Zarin abzuwälzen. Die Gerüchte über Verrat des Hofes schlichen durch die Armee zweifellos hauptsächlich von oben nach unten, von den schwachköpfigen Stäben aus.
Wenn aber die Zarin, der sich der Zar in allem unterwirft, an Wilhelm Kriegsgeheimnisse und sogar die Häupter der verbündeten Heeresführer verrät, was bleibt dann anderes als ein Strafgericht über das Zarenpaar? Und da andererseits der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch als das Haupt der Armee und der antideutschen Partei galt, war er gleichsam von Amts wegen für
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