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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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und den in Verbindung damit erfolgten Ausweisungen von Großfürsten begann die vornehme Gesellschaft besonders laut von der Notwendigkeit der Palastrevolution zu sprechen. Fürst Jussupow erzählt, zu dem im Palaste inhaftierten Großfürsten Dmitrij seien Offiziere einiger Regimenter gekommen und hätten ihm verschiedene Pläne für eine entscheidende Aktion unterbreitet, "auf die er natürlich nicht eingehen konnte".
    Auch die verbündete Diplomatie galt als an der Verschwörung beteiligt, zumindest in der Person des britischen Botschafters. Dieser unternahm, zweifellos auf Initiative der russischen Liberalen, im Januar 1917, nachdem er sich der Sanktion seiner Regierung versichert hatte, den Versuch, Nikolaus zu beeinflussen. Der Zar hörte ihn aufmerksam und höflich an, dankte ihm und - begann von anderen Dingen zu sprechen. Protopopow unterrichtete Nikolaus über die Beziehungen Buchanans zu den Hauptführern des progressiven Blocks und schlug vor, die Überwachung der englischen Botschaft einzurichten. Nikolaus soll diesen Vorschlag nicht gebilligt haben mit der Begründung, die Überwachung eines Botschafters sei "den internationalen Traditionen widersprechend". Indessen berichtet Kurlow ohne Umschweife, daß "die polizeilichen Überwachungsorgane täglich Verbindungen zwischen der Kadettenpartei Miljukows und der englischen Botschaft registrierten". Die internationalen Traditionen haben also nichts verhindert. Aber auch deren Verletzung hat nicht viel geholfen: die Palastverschwörung wurde dennoch nicht aufgedeckt.
    Hat sie in der Tat existiert? Das ist durch nichts bewiesen. Sie war zu ausgedehnt, diese "Verschwörung", erfaßte zu zahlreiche und allzu verschiedenartige Kreise, um eine Verschwörung zu sein. Sie hing in der Luft als Stimmung der Spitzen der Petersburger Gesellschaft, als wirre Vorstellung einer Rettung, als Losung der Verzweiflung. Aber sie verdichtete sich nicht bis zu einem praktischen Plan.
    Der höhere Adel hatte im achtzehnten Jahrhundert nicht nur einmal praktische Korrekturen an der Thronfolge vorgenommen, indem er unbequeme Kaiser hinter Schloß und Riegel setzte oder erdrosselte: zuletzt wurde eine solche Operation im Jahre 1801 an Paul vorgenommen. Man kann folglich nicht sagen, daß eine Palastrevolution der Tradition der russischen Monarchie widersprochen hätte: Im Gegenteil, sie bildete ein unentbehrliches Element dieser Tradition. Doch die Aristokratie fühlte sich schon längst nicht mehr sicher im Sattel. Die Ehre, den Zaren und die Zarin zu erdrosseln, trat sie an die liberale Bourgeoisie ab. Deren Führer aber bewiesen nicht viel größere Entschlossenheit.
    Nach der Revolution hat man wiederholt auf die liberalen Kapitalisten Gutschkow und Tereschtschenko und auf den ihnen nahestehenden General Krymow verwiesen, als auf den Herd der Verschwörung. Gutschkow und Te-reschtschenko haben das selbst bestätigt, wenn auch unbestimmt. Der ehemalige Freiwillige der Burenarmee gegen England, Duellant Gutschkow, der Liberale mit den Sporen, mußte der "öffentlichen Meinung" als die für eine Verschwörung geeignetste Person erscheinen. Beileibe doch nicht der wortreiche Professor Miljukow! Gutschkow kehrte zweifellos in Gedanken wiederholt zu einem guten und kurzen Schlag zurück, bei dem ein Garderegiment die Revolution ersetzt und ihr vorbeugt. Schon Witte hatte in seinen "Erinnerungen" Gutschkow, den er haßte, als einen Anhänger der jungtürkischen Methoden zur Erledigung eines unbequemen Sultans denunziert. Aber Gutschkow, der auch in seinen jungen Jahren jungtürkischen Mut zu beweisen versäumt hatte, war inzwischen stark gealtert. Und was die Hauptsache ist: Der Gesinnungsgenosse Stolypins konnte den Unterschied zwischen den russischen Verhältnissen und den alttürkischen unmöglich übersehen und mußte sich fragen, ob ein Palastumsturz, statt der Revolution vorzubeugen, nicht zu jenem letzten Stoß werden könnte, der die Lawine ins Rollen bringt, und ob das Heilmittel sich nicht verderbenbringender erweisen würde als die Krankheit selbst?
    In der Literatur, die der Februarrevolution gewidmet ist, wird von der Vorbereitung des Palastumsturzes wie von einer feststehenden Tatsache gesprochen. Miljukow äußert sich folgendermaßen: "Im Februar sollte es schon zu seiner Verwirklichung kommen." Denikin verlegt die Verwirklichung auf den März. Beide erwähnen den "Plan", den Zarenzug unterwegs anzuhalten, die Thronentsagung zu fordern und im Falle einer Weigerung, die

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