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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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man für unvermeidlich hielt, die "physische Beseitigung" des Zaren vorzunehmen. Miljukow fügt ergänzend hinzu, daß die Führer des progressiven Blocks, die an der Verschwörung unbeteiligt und über deren Vorbereitungen nicht "genau" informiert gewesen wären, in Voraussicht eines wahrscheinlichen Umsturzes im engeren Kreise darüber diskutiert hätten, wie die Umwälzung im Falle eines Erfolges am besten auszunutzen wäre. Einige marxistische Untersuchungen der letzten Jahre nehmen ebenfalls die Version von der praktischen Vorbereitung einer Umwälzung gutgläubig hin. An diesem Beispiel kann man, nebenbei bemerkt, beobachten, wie leicht und fest Legenden sich einen Platz in der historischen Wissenschaft erobern.
    Als wichtigster Beweis für die Verschwörung wird nicht selten die farbige Erzählung Rodsjankos angeführt, die aber gerade ein Beweis dafür ist, daß es keine Verschwörung gegeben hat. Im Januar 1917 kam General Krymow von der Front in die Hauptstadt und klagte Dumamitgliedern gegenüber, daß es so nicht weitergehen könne. "Falls ihr euch zu diesem äußersten Mittel (einem Zarenwechsel) entschließt, werden wir euch unterstützen." Falls ihr euch entschließt! ... Der Oktobrist Schidlowski rief wütend aus: "Man kann ihn nicht schonen und bemitleiden, wenn er Rußland zugrunde richtet." Im lärmenden Streit wurden die tatsächlichen oder vermeintlichen Worte Brussilows angeführt: "Falls man gezwungen sein sollte, zwischen dem Zaren und Rußland zu wählen - gehe ich mit Rußland." Falls man gezwungen sein sollte! Der junge Millionär Tereschtschenko trat als unbeugsamer Zarenmörder auf Der Kadett Schingarew sagte: "Der General hat recht. Ein Umsturz ist notwendig ... Wer aber wird sich dazu entschließen?" Darum handelt es sich eben: Wer wird sich dazu entschließen? Das ist der Kern der Angaben Rodsjankos, der selbst gegen den Umsturz aufgetreten war. Während der wenigen weiteren Wochen ist der Plan offenbar nicht fortgeschritten. Davon, den Zarenzug aufzuhalten, wurde gesprochen; es ist aber nicht zu entdecken, wer die Operation durchführen sollte.
    Der russische Liberalismus unterstützte, als er noch jünger war, durch Geld und Sympathien die Terroristen in der Hoffnung, sie würden mit ihren Bomben die Monarchie in die Arme des Liberalismus treiben. Den eigenen Kopf zu riskieren war keiner dieser würdigen Herren gewohnt. Die Hauptrolle jedoch spielte nicht so sehr persönliche wie Klassenangst: Jetzt ist es schlimm - erwogen sie -, daß es aber nur nicht schlimmer werde! Jedenfalls, wenn Gutschkow-Tereschtschenko-Kryrnow ernstlich an einen Umsturz gedacht, das heißt für seine praktische Vorbereitung Kräfte und Mittel mobilisiert haben würden, so wäre dies nach der Revolution jedenfalls mit voller Bestimmtheit und Genauigkeit festzustellen gewesen, denn die Teilnehmer, besonders die jungen Exekutoren, deren nicht wenig gebraucht worden wären, hätten keine Veranlassung gehabt, die "beinah" vollbrachte Heldentat zu verschweigen: Nach dem Februar hätte sie ihre Karriere nur gesichert. Solche Enthüllungen aber hat es nicht gegeben. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß es sich für Gutschkow und Krymow um nichts anderes gehandelt hat als um patriotische Stoßseufzer bei Wein und Zigarren. Die leichtsinnigen Frondeure der Aristokratie wie die schwerfälligen Oppositionellen der Plutokratie brachten den Mut nicht auf, den Gang der ungünstigen Vorsehung durch eine Tat zu korrigieren.
    Einer der phrasenhaftesten und hohlsten Liberalen, Maklakow, wird im Mai 1917 in einer Privatberatung der Duma, die - zusammen mit der Monarchie - von der Revolution beiseite geschoben ist, rufen: "Wenn unsere Nachkommen diese Revolution verfluchen werden, so werden sie auch uns verfluchen, die wir es nicht verstanden haben, ihr rechtzeitig durch eine Umwälzung von oben zuvorzukommen!" Noch später, bereits in der Emigration, wird, nach Maklakow, auch Kerenski wehklagen: "Ja, das privilegierte Rußland hat es versäumt, durch einen rechtzeitigen Coup d'État von oben (von dem man so viel gesprochen und auf den man sich so viel [?] vorbereitet hatte) die elementare Staatsexplosion abzuwenden."
    Diese zwei Ausrufe vollenden das Bild, indem sie zeigen, daß die studierten Flachköpfe auch dann noch, als die Revolution alle ihre unbändigen Kräfte entfesselt hatte, zu glauben fortführen, ein "rechtzeitiger" Wechsel der dynastischen Spitze hätte die Revolution abzuwenden vermocht!
    Für den "großen"

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