Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Palastumsturz hatte die Entschlossenheit nicht ausgereicht. Aber aus ihm erwuchs der Plan des kleinen Umsturzes. Die liberalen Verschwörer wagten nicht, den Hauptakteur der Monarchie zu beseitigen; die Großfürsten beschlossen deshalb, seinen Souffleur wegzuräumen: in der Ermordung Rasputins erblickten sie das letzte Mittel zur Rettung der Dynastie.
Der mit einer Romanow vermählte Fürst Jussupow zog den Großfürsten Dmitrij Pawlowitsch und den monarchistischen Deputierten Purischkewitsch zu der Aktion hinzu. Man bemühte sich, auch den Liberalen Maklakow einzubeziehen, wohl um dem Morde einen "allnationalen" Anstrich zu geben. Der berühmte Advokat wich wohlweislich aus, versah jedoch die Verschwörer mit Gift. Ein höchst stilvolles Detail! Nicht ohne Grund rechneten die Verschwörer damit, daß das Romanowsche Automobil nach dem Morde die Wegschaffung der Leiche erleichtern würde: das großfürstliche Wappen fand Verwendung. Das Weitere spielte sich im Plane einer auf schlechten Geschmack berechneten kinemato-graphischen Inszenierung ab. In der Nacht vom 16. zum 17. Dezember wurde Rasputin, den man zu einem Trinkgelage verlockt hatte, in der Jussupowschen Villa ermordet.
Außer der engeren Kamarilla und den mystischen Anbeterinnen nahmen die regierenden Klassen die Ermordung Rasputins wie einen Rettungsakt auf. Den mit Hausarrest bedachten Großfürsten, dessen Hände, nach dem Ausdruck des Zaren, von Bauernblut - wenn auch ein Christus, so doch ein Bauer! - besudelt waren, besuchten mit dem Ausdruck der Sympathie alle Mitglieder des Kaiserlichen Hauses, die sich in Petersburg aufhielten. Der Zarin leibliche Schwester, die verwitwete Großfürstin Sergius, teilte telegraphisch mit, daß sie für die Mörder bete und sie für ihre patriotische Tat segne. Solange kein Verbot bestand, Rasputin zu erwähnen, veröffentlichten die Zeitungen begeisterte Artikel. In den Theatern versuchte man Demonstration zu Ehren der Mörder zu veranstalten. In den Straßen gratulierten Passanten einander. "In Privathäusern, Offiziersklubs, in Restaurants", schreibt Fürst Jussupow, "trank man auf unsere Gesundheit; aus den Betrieben schrien uns die Arbeiter "hurra!" zu." Es ist allerdings anzunehmen, daß die Arbeiter nicht getrauert haben, als sie von der Ermordung Rasputins erfuhren. Ihre "Hurra"-Rufe aber hatten mit den Hoffnungen auf eine Wiederbelebung der Dynastie nichts zu tun.
Die Rasputinsche Kamarilla verstummte abwartend. Vor aller Welt geheim, setzten Zar und Zarin, die Zarentöchter und Wyrubowa Rasputin bei; neben der Leiche des heiligen Freundes, des von Großfürsten ermordeten ehemaligen Pferdediebes, mußte die Zarenfamilie sich selbst wie verstoßen fühlen. Aber auch der begrabene Rasputin fand keine Ruhe. Als Nikolaus und Alexandra Romanow schon als Gefangene galten, warfen Soldaten von Zarskoje Selo sein Grab auf und öffneten den Sarg. Neben dem Kopfe des Ermordeten lag ein Heiligenbild mit der Aufschrift: Alexandra, Olga, Tatjana, Maria, Anastasia, Anja. Die Provisorische Regierung schickte einen Bevollmächtigten, um die Leiche aus irgendeinem Grunde nach Petrograd schaffen zu lassen. Die Menge widersetzte sich, und der Bevollmächtigte mußte die Leiche an Ort und Stelle verbrennen.
Nach der Ermordung des "Freundes" bestand die Monarchie insgesamt noch zehn Wochen. Diese kurze Frist aber gehörte ihr. Rasputin war nicht mehr, doch sein Schatten herrschte weiter. Allen Erwartungen der Verschwörer zum Trotz, begann das Zarenpaar nach der Ermordung mit verstärkter Kraft die verächtlichsten Mitglieder der Rasputin-schen Bande auszuzeichnen. Um Rasputin zu rächen, wurde ein berüchtigter Lump zum Justizminister ernannt. Einige Großfürsten verbannte man aus der Hauptstadt. Man erzählte, Protopopow betreibe Spiritismus, um den Geist Rasputins herbeizurufen. Die Schlinge der Ausweglosigkeit zog sich noch enger zusammen.
Die Ermordung Rasputins hatte große Folgen, aber ganz andere als die, mit denen ihre Teilnehmer und Inspiratoren gerechnet hatten. Sie hatte die Krise nicht gemildert, sondern zugespitzt. Von der Ermordung sprach man überall: in den Schlössern, in den Stäben, in den Betrieben und in den Bauernhütten. Die Schlußfolgerung drängte sich von selbst auf: sogar die Großfürsten haben gegen die aussätzige Kamarilla keine anderen Mittel als Gift und Revolver. Der Dichter Alexander Block schrieb über die Ermordung Rasputins: "Die Kugel, die mit ihm Schluß machte, traf die
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