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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Regimentes ein Meeting. Das Unternehmen mißlang: ist es denn für einen Offizier oder einen Feldwebel schwer, das Maschinengewehr in Tätigkeit zu setzen? Die Arbeiter wurden durch grausames Feuer auseinandergetrieben. Ein gleicher Versuch wurde bei der Kaserne des Reserveregiments unternommen. Und auch dort das gleiche: zwischen Arbeiter und Soldaten stellten sich Offiziere mit Maschinengewehren. Die Arbeiterführer rasten, suchten nach Waffen, forderten sie von der Partei. Sie erhielten zur Antwort: Waffen sind bei den Soldaten, holt sie bei ihnen. Dies wußten sie ohnehin. Aber wie sie holen? Wird heute nicht alles jäh scheitern? So rückte der kritische Punkt des Kampfes immer näher. Entweder wird das Maschinengewehr den Aufstand hinwegfegen, oder der Aufstand in Besitz des Maschinengewehrs kommen.
    In seinen Erinnerungen erzählt Schljapnikow, die Hauptfigur des damaligen Petersburger Zentrums der Bolschewiki, wie er die Forderung der Arbeiter nach Waffen, wenigstens Revolvern, ablehnte und auf die Waffen in den Kasernen verwies. Er wollte auf diese Weise blutige Zusammenstöße zwischen Arbeitern und Soldaten vermeiden und den ganzen Einsatz auf die Agitation stellen, das heißt auf die Gewinnung der Soldaten durch Wort und Beispiel. Wir kennen keine anderen Angaben, die diese, eher von Wankelmut als von Weitblick zeugende Aussage eines angesehenen Führers jener Tage bestätigt oder widerlegt hätten. Einfacher wäre gewesen, zuzugeben, daß die Führer keine Waffen besaßen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das Schicksal jeder Revolution auf einer bestimmten Etappe durch den Umschwung in der Stimmung der Armee entschieden wird. Über eine zahlreiche, disziplinierte, gut bewaffnete und fachmännisch geleitete Militärmacht könnten unbewaffnete oder kaum bewaffnete Volksmassen keinen Sieg erringen. Aber jede tiefgehende nationale Krise muß in diesem oder jenem Grade natürlich auch die Armee erfassen; so bildet sich, zusammen mit den Bedingungen einer wahrhaften Volksrevolution, die Möglichkeit - allerdings nicht die Gewähr ihres Sieges heraus. Der Übergang der Armee auf die Seite der Aufständischen vollzieht sich jedoch nicht automatisch und kann nicht die Folge der Agitation allein sein. Die Armee ist uneinheitlich, und ihre antagonistischen Elemente werden durch den Terror der Disziplin zusammengehalten. Noch am Vorabend der entscheidenden Stunde wissen revolutionäre Soldaten oft nicht, welche Macht sie darstellen und wie groß die Möglichkeiten ihres Einflusses sind. Uneinheitlich sind allerdings auch die Arbeitermassen. Aber sie besitzen unermeßlich größere Möglichkeiten, im Prozeß der Vorbereitung des entscheidenden Zusammenstoßes ihre Reihen nachzuprüfen. Streiks, Versammlungen, Demonstrationen sind sowohl Akte des Kampfes als auch dessen Gradmesser. Nicht die gesamte Masse nimmt an Streiks teil. Nicht alle Streikenden sind kampfbereit. In den zugespitztesten Augenblicken sind auf der Straße nur die Entschlossensten. Die Schwankenden, Müden oder Rückständigen sitzen zu Hause. So vollzieht sich die revolutionäre Auslese von selbst, die Menschen werden durch das Sieb der Ereignisse gesondert. Anders verhält es sich mit der Armee. Die revolutionären Soldaten, die sympathisierenden, die schwankenden, die feindlich gesinnten - alle sind an den Zwang der Disziplin gebunden, deren Fäden bis zum letzten Augenblick in der Faust des Offiziers konzentriert bleiben. Die Soldaten werden noch immer täglich in "erste" und "zweite" Reihen eingeteilt, wie aber sind sie in Meuternde und Gehorsame einzuteilen?
    Der psychologische Moment des Überschwenkens der Soldaten auf die Seite der Revolution wird durch einen langen molekularen Prozeß vorbereitet, der, wie alle Naturprozesse, seinen kritischen Punkt hat. Doch wie ihn bestimmen? Ein Truppenteil kann für den Anschluß an das Volk völlig reif sein, aber von außen den nötigen Anstoß nicht erhalten. Die revolutionäre Leitung glaubt noch nicht an die Möglichkeit, die Armee auf ihrer Seite zu haben, und geht am Sieg vorbei. Nach einem solchen herangereiften, aber nicht verwirklichten Aufstand, kann sich bei den Truppen eine Reaktion vollziehen: die Soldaten verlieren die in ihrem Innern aufgeflammte Hoffnung, beugen den Nacken wieder unter das Joch der Disziplin und werden dann bei einer neuen Begegnung mit den Arbeitern besonders auf Distanz, gegen die Aufständischen sein. Dieser Prozeß birgt viele unwägbare oder schwer wägbare

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