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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Bourgeoisie nicht wenig geträumt hatte. Dieser Vergleich war jedoch derart trostlos, daß er sogar in einem bürgerlichen Blatte eine ernste Zurückweisung fand. Tugan-Baranowski, Nationalökonom, der in seiner Jugend die Marx'sche Schule durchgemacht hatte, eine russische Spielart von Sombart, schrieb am 10. März in der Birschewyje Wedomosti: "Die türkische Revolution bestand in einer siegreichen Erhebung der Armee, die von den Führern vorbereitet und verwirklicht worden war. Die Soldaten waren nur gehorsame Vollstrecker der Absichten ihrer Offiziere. Aber jene Garderegimenter, die am 27. den russischen Thron umgestürzt haben, waren ohne ihre Offiziere erschienen ... Nicht die Armee, sondern die Arbeiter haben den Aufstand begonnen. Nicht Generale, sondern Soldaten sind zur Reichsduma marschiert. Die Soldaten haben die Arbeiter unterstützt, nicht in gehorsamer Ausführung der Befehle ihrer Offiziere, sondern, weil ... sie sich blutsverwandt fühlten mit den Arbeitern, als einer Klasse ebenso werktätiger Menschen wie sie selbst. Die Bauern und die Arbeiter -das sind die zwei sozialen Klassen, die die russische Revolution vollbrachten."
    Diese Worte bedürfen weder einer Berichtigung noch Ergänzung. Die weitere Entwicklung der Revolution hat ihren Sinn zur Genüge bestätigt und bekräftigt.
    Der letzte Februartag war in Petrograd der erste Tag nach dem Siege: ein Tag der Begeisterung, der Umarmungen, freudiger Tränen, wortreicher Ergüsse, doch zugleich der Tag der letzten Schläge gegen den Feind. in den Straßen knatterten noch Schüsse. Man erzählte, Protopopows "Pharaonen", über den Sieg des Volkes nicht unterrichtet, schössen noch weiter von den Dächern. Von unten feuerte man gegen Dachböden, Bodenfenster und Kirchtürme, wo man bewaffnete Phantome des Zarismus vermutete. Um 4 Uhr nachmittags wurde die Admiralität besetzt, wo sich die letzten Reste einstiger Staatsmacht verborgen hielten. Revolutionäre Organisationen und improvisierte Gruppen nahmen in der Stadt Verhaftungen vor. Das Schlüsselburger Zuchthaus wurde ohne einen Schuß genommen. Es schlossen sich der Revolution immer neue und neue Regimenter an: in der Hauptstadt und in der Umgebung.
    Der Umsturz in Moskau war nur ein Widerhall des Aufstandes in Petrograd. Die gleichen Stimmungen bei Arbeitern und Soldaten, nur im Ausdruck nicht so kraß. Etwas linkere Stimmungen bei der Bourgeoisie. Eine noch größere Schwäche der revolutionären Organisationen als in Petrograd. Als die Ereignisse an der Newa ihren Anfang nahmen, hielt die Moskauer radikale Intelligenz Beratungen ab, was zu tun sei, und kam zu keinem Entschluß. Erst am 27. Februar begannen in den Moskauer Fabrikbetrieben Streiks, danach folgten Demonstrationen. Die Offiziere sagten den Soldaten in den Kasernen, auf den Straßen meutere Gesindel, das man zur Räson bringen müsse. "Aber jetzt", erzählt der Soldat Schischilin, "verstanden die Soldaten das Wort Gesindel verkehrt!" Gegen 2 Uhr nachmittags erschienen vor dem Gebäude der Stadtduma aus verschiedenen Regimentern zahlreiche Soldaten, die Wege suchten, sich der Revolution anzuschließen. Am nächsten Tage wuchsen die Ausstände an. Massen zogen mit Fahnen zur Duma. Der Soldat der Automobil-Kompanie, Muralow, ein alter Bolschewik, Agronom von Beruf, ein großmütiger und tapferer Riese, führte den ersten geschlossenen und disziplinierten Truppenteil zur Duma, der das Radio und andere Punkte besetzte. Acht Monate später wird Muralow die Truppen des Moskauer Militärbezirks kommandieren.
    Die Gefängnisse wurden geöffnet. Der gleiche Muralow brachte einen Lastwagen mit befreiten politischen Gefangenen. Die Hand an der Mütze, fragte der Polizeiaufseher den Revolutionär, ob man auch Juden herauslassen solle. Der soeben aus dem Zuchthaus befreite Dserschinski, der die Arrestantenkleider noch nicht gewechselt hatte, trat im Gebäude der Duma auf, wo sich bereits der Sowjet formierte. Der Artillerist Dorofejew wird später erzählen, wie die Arbeiter der Konfektfabrik Siou am 1. März mit Fahnen in der Kaserne der Artilleriebrigade erschienen, sich mit den Soldaten zu verbrüdern, und wie viele sich vor Freude nicht fassen konnten und weinten. Es gab in der Stadt vereinzelte Schüsse aus dem Hinterhalt, im allgemeinen aber weder bewaffnete Zusammenstöße noch Opfer: für Moskau stand Petrograd ein.
    In einer Reihe von Provinzstädten begann die Bewegung erst am 1. März, nachdem der Umsturz auch in Moskau bereits

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