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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Universalformel zu lösen: keiner hat die Revolution geleitet, sie vollzog sich von selbst. Diese "Elementar"-Theorie kam nicht nur jenen Herrschaften sehr gelegen, die gestern noch in aller Ruhe administriert, gerichtet, angeklagt, verteidigt, gehandelt oder kommandiert hatten, heute aber Eile zeigten, sich der Revolution anzubiedern, sondern auch vielen Berufspolitikern und gewesenen Revolutionären, die, nachdem sie die Revolution verschlafen hatten, nun glauben wollten, sie unterschieden sich in dieser Hinsicht nicht von allen anderen.
    In seiner kuriosen Geschichte der russischen Wirren erzählt General Denikin, der ehemalige Höchstkommandierende der Weißen Armee, über den 27. Februar: "An diesem entscheidenden Tage gab es keine Führer, es gab nur entfesselte Elemente. In ihrem zornigen Lauf konnte man weder Ziel, noch Plan, noch Parolen erkennen." Der gelehrte Historiker Miljukow schürft nicht tiefer als der General, der eine Schwäche für das Schrifttum hat. Bis zum Umsturz hatte der liberale Führer jeden Gedanken an eine Revolution für eine Eingebung des deutschen Stabes erklärt. Die Lage wurde aber nach dem Umsturz, der die Liberalen an die Macht brachte, verzwickter. Jetzt bestand Miljukows Aufgabe nicht mehr darin, die Revolution mit der Ehrlosigkeit der hohenzollernschen Initiative zu behaften, sondern, im Gegenteil, den Revolutionären die Ehre der Initiative abzusprechen. Der Liberalismus adoptierte vollständig die Theorie vom elementaren und unpersönlichen Charakter des Umsturzes. Mit Sympathie beruft sich Miljukow auf den Halbliberalen, Halbsozialisten Stankewitsch, einen Privatdozenten, der Regierungskommissar beim Hauptquartier des Oberkommandos geworden war. "Die Masse kam von selbst in Bewegung, einem unbewußten, inneren Drange gehorchend ...", schreibt Stankewitsch über die Februartage. "Mit welcher Parole sind die Soldaten aufgetreten? Wer führte sie, als sie Petrograd eroberten, als sie das Bezirksgericht niederbrannten? Nicht eine politische Idee, nicht eine revolutionäre Parole, nicht eine Verschwörung, nicht eine Rebellion, sondern die elementare Bewegung, die mit einem Male die alte Macht restlos einäscherte." Das Elementare erhält hier einen fast mystischen Charakter.
    Der gleiche Stankewitsch gibt eine sehr wertvolle Zeugenaussage: "Ende Januar hatte ich Gelegenheit, in einem sehr intimen Kreise Kerenski zu treffen ... Gegenüber der Möglichkeit eines Volksaufstandes verhielten sich alle ausgesprochen ablehnend, aus Furcht, die einmal ausgebrochene Massenbewegung des Volkes könnte in linksradikales Fahrwasser geraten, und dieses würde außerordentliche Schwierigkeiten für die Kriegsführung schaffen." Die Ansichten des Kerenskikreises unterschieden sich im wesentlichen nicht von denen der Kadetten. Nicht von dort konnte die Initiative ausgehen.
    "Die Revolution schlug wie ein Blitz aus heiterem Himmel ein", sagt der Vertreter der sozialrevolutionären Partei, Sen-sinow. "Wollen wir offen sein: sie kam als eine große und freudige Überraschung auch für uns, Revolutionäre, die lange Jahre für sie gearbeitet und sie stets erwartet hatten."
    Nicht viel besser verhielt sich die Sache mit den Menschewiki. Ein Journalist der bürgerlichen Emigrantenkreise berichtet über seine Begegnung in der Straßenbahn am 24. Februar mit Skobeljew, dem späteren Minister der revolutionären Regierung. "Dieser Sozialdemokrat, einer der Führer der Bewegung, sagte mir, die Unruhen trügen den Charakter von Plünderungen, die man unterdrücken müsse. Das hinderte Skobeljew nicht, einen Monat später zu behaupten, er und seine Freunde hätten die Revolution gemacht." Die Farben sind hier sicherlich dick aufgetragen. Doch im wesentlichen ist die Position der legalen Sozialdemokraten, der Menschewiki, ziemlich der Wirklichkeit entsprechend wiedergegeben.
    Schließlich sagt ein späterer Führer des linken Flügels der Sozialrevolutionäre; Mstislawski, der dann zu den Bolschewi-ki überging, von dem Februarumsturz: "Die Revolution hat uns, damalige Parteileute, wie die törichten Jungfrauen des Evangeliums schlafend überrascht." Es ist hierbei unwesentlich, wieweit sie Jungfrauen ähnelten, geschlafen haben sie tatsächlich alle.
    Wie aber war es mit den Bolschewiki? Das ist uns zum Teil schon bekannt. Hauptleiter der unterirdischen bolschewistischen Organisation in Petrograd waren damals drei Männer: die ehemaligen Arbeiter Schljapnikow und Saluzki und der ehemalige Student Molotow.

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