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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Doch die Männer vom "Stab" nehmen sich seiner an und führen ihn behutsam aus der Menge. Die Revolution ist zu dieser Zeit noch gutmütig, vertrauensvoll, weichherzig. Sie wird erst nach einer Reihe von Verrat, Betrug und blutigen Prüfungen erbarmungslos werden.
    Die erste Nacht der siegreichen Revolution ist von Unruhe erfüllt. Improvisierte Kommissare der Bahnhöfe und anderer Punkte, in ihrer Mehrzahl zufällige Intellektuelle mit persönlichen Beziehungen, aufdringliche Wichtigtuer, entfernte Bekannte der Revolution Unteroffiziere, besonders aus der Arbeiterschicht, wären viel nützlicher gewesen! -, beginnen nervös zu werden, wittern überall Gefahr, verwirren die Soldaten und telephonieren unaufhörlich ins Taurische Palais nach Verstärkungen. Dort herrscht ebenfalls Aufregung, auch dort wird dauernd telephoniert, Verstärkungen werden ausgesandt, die den Bestimmungsort meist nicht erreichen. "Wer Befehle erhält", erzählt ein Mitglied des nächtlichen Stabs im Taurischen, "führt sie nicht aus, wer handelt - handelt ohne Befehle ... "
    Ohne Befehle handeln die Arbeiterviertel. Die revolutionären Obleute, die ihre Betriebe auf die Straße führten, Polizeireviere besetzten, die Regimenter aus den Kasernen herausholten und die Nester der Konterrevolution aushoben, eilen nicht ins Taurische, in die Stäbe, in die leitenden Zentren, im Gegenteil, ironisch und mißtrauisch weisen sie mit dem Kopf in jene Richtung: schon flattern die Herrchen herbei, um das Fell des nicht von ihnen erlegten und noch nicht völlig erlegten Bären zu teilen. Die Arbeiter-Bolschewiki wie die Arbeiter der anderen linken Parteien verbringen ihre Tage in den Straßen, die Nächte in den Bezirksstäben, halten die Verbindung mit den Kasernen aufrecht, bereiten den morgigen Tag vor. In der ersten Nacht nach dem Siege setzen sie die Arbeit fort, die sie die letzten fünf Tage getan haben. Sie bilden das junge Knochengerüst der Revolution, die, wie jede Revolution, an ihrem Anfang noch zu ungefestigt ist.
    Nabokow, das uns bereits bekannte Mitglied des Kadettenzentrums, der in dieser Zeit als legalisierter Deserteur dem Generalstab angehörte, begab sich am 27., wie stets, zum Dienst in die Kanzlei und blieb dort, ohne etwas von den Ereignissen zu wissen, bis 3 Uhr nachmittags. Am Abend hörte man in der Morskaja-Straße Schüsse. Nabokow vernahm sie in seiner Wohnung, Panzerwagen rasten vorbei, vereinzelte Soldaten und Matrosen liefen die Mauern entlang durch die Straße, - der ehrwürdige Liberale beobachtete das durch die Seitenfenster seines Erkers. "Das Telephonamt arbeitete weiter, und die Nachrichten über die Tagesereignisse wurden mir, wenn ich mich recht entsinne, von meinen Freunden mitgeteilt. Zur gewohnten Stunde gingen wir schlafen." Dieser Mann wird bald einer der Inspiratoren der Revolutionären (!) Provisorischen Regierung sein, in Gestalt ihres Geschäftsführers. Auf der Straße wird morgen ein unbekannter Greis, irgendein Bürobeamter oder vielleicht Lehrer an ihn herantreten, wird den Hut ziehen und sprechen: "Dank für alles, was Sie für das Volk getan haben." Und mit bescheidenem Stolz wird Nabokow selbst es uns erzählen.

Kapitel 8: Wer leitete den Februaraufstand?
    Die Advokaten und Journalisten der durch die Revolution betroffenen Klassen haben nachträglich nicht wenig Tinte verbraucht, um zu beweisen, daß im Februar eigentlich eine Weiberrebellion stattgefunden habe, die dann von der Soldatenmeuterei überdeckt wurde; das eben habe man für eine Revolution ausgegeben. Ludwig XVI. wollte seinerzeit ebenfalls glauben, die Einnahme der Bastille sei eine Rebellion, doch man hat ihm ehrfurchtsvoll beigebracht, daß es eine Revolution sei. Jene, die bei einer Revolution verlieren, sind selten geneigt, ihr ihren rechten Namen zuzugestehen, denn dieser ist, trotz aller Bemühungen wütender Reaktionäre, im historischen Gedächtnis der Menschheit mit der Aureole der Befreiung von alten Ketten und Vorurteilen umgeben. Die Privilegierten aller Jahrhunderte und deren Lakaien haben unentwegt versucht, die Revolution, die sie gestürzt hatte, zum Unterschiede von den früheren, als Wirren, Meuterei oder Pöbelrebellion zu proklamieren. Klassen, die sich überlebt haben, zeichnen sich nie durch Erfindungsgeist aus.
    Kurz nach dem 27. Februar unternahm man Versuche, die Februarrevolution mit dem jungtürkischen Militärstreich zu vergleichen, von dem, wie wir wissen, man in den oberen Schichten der russischen

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