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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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den Sieg.
    Woher diese beispiellose Kraft der Beharrlichkeit und des Ansturmes? Es genügt nicht, auf die Erbitterung zu verweisen. Erbitterung allein wäre zu wenig gewesen. So sehr die Petrograder Arbeiter während der Kriegsjahre durch menschliches Rohmaterial auch verwässert worden waren; so besaßen sie immerhin große revolutionäre Erfahrung. In ihrer Beharrlichkeit und in ihrem Ansturm war, trotz fehlender Leitung und der Gegenwirkung von oben, eine nicht immer ausgesprochene, aber auf Lebenserfahrung begründete Kräftebewertung und selbständige strategische Berechnung.
    Am Vorabend des Krieges ging die revolutionäre Schicht der Arbeiter mit den Bolschewiki und führte die Masse hinter sich. Mit Beginn des Krieges änderte sich die Lage schroff: die konservativen Zwischenschichten erhoben den Kopf und rissen einen bedeutenden Teil der Klasse mit sich, die revolutionären Elemente wurden isoliert und verstummten. Im Verlauf des Krieges änderte sich die Situation, anfangs langsam, dann, nach den Niederlagen, schneller und radikaler. Aktive Unzufriedenheit ergriff die gesamte Arbeiterklasse. Zwar war sie bei großen Kreisen noch patriotisch g3-färbt, doch hatte das mit dem berechnenden, feigen Patriotismus der besitzenden Klasse nichts gemein, die alle inneren Fragen bis nach dem Siege vertagten. Gerade der Krieg, seine Opfer, seine Schrecken und seine Schande ließen nicht nur die alten, sondern auch die neuen Arbeiterschichten mit dem zaristischen Regime zusammenstoßen, mit neuer Schärfe anprallen und zu der Schlußfolgerung kommen: man darf es nicht länger dulden! Diese Schlußfolgerung war allgemein, sie verband die Massen und verlieh ihnen die gewaltige Kraft des Vorstoßes.
    Die Armee quoll auf, Millionen Arbeiter und Bauern in sich aufnehmend. Jeder hatte beim Militär die Seinen: einen Sohn, einen Mann, einen Bruder oder einen anderen Nächsten. Die Armee war nicht mehr wie vor dem Kriege vom Volke abgezäunt. Man kam jetzt mit Soldaten viel mehr zusammen, man begleitete sie, wenn sie zur Front abmarschierten, man lebte mit ihnen, wenn sie auf Urlaub kamen, man unterhielt sich mit ihnen in den Straßen, in den Straßenbahnen über die Front, man besuchte sie in den Lazaretten. Arbeiterviertel, Kaserne, Front und zum großen Teil auch das Dorf wurden miteinander verbundene Gefäße. Die Arbeiter wußten, was der Soldat dachte und fühlte. Sie führten endlose Gespräche über den Krieg, über Menschen, die sich am Kriege bereicherten, über Generale, über Regierung, über Zar und Zarin. Der Soldat sagte über den Krieg: Verflucht sei er! Der Arbeiter antwortete über die Regierung: Verflucht seien sie alle! Der Soldat sagte: Weshalb schweigt ihr hier, im Zentrum? Der Arbeiter antwortete: Mit leeren Händen ist nichts zu machen, schon im Jahre 1905 haben wir uns an der Armee blutig gestoßen. Der Soldat grübelnd: Wenn sich doch alle auf einmal erhöben! Der Arbeiter: Ja, eben alle auf einmal. Solche Gespräche wurden vor dem Kriege von einzelnen geführt und hatten einen konspirativen Charakter. Jetzt sprach man überall so, bei jedem Anlaß und fast offen, mindestens in den Arbeitervierteln.
    Der zaristischen Ochrana gelang manchmal eine gute Sondierung. Zwei Wochen vor der Revolution berichtete ein Pe-trograder Spitzel, der mit dem Spitznamen Krestjaninow unterzeichnete, in seinem Rapport über ein Gespräch in der Straßenbahn, die einen Arbeitervorort kreuzte. Ein Soldat habe erzählt, aus seinem Regiment seien 8 Mann in die Ka-torga verschickt worden, weil sie sich im Herbst geweigert hätten, auf die Arbeiter der Nobel-Werke zu schießen, und auf die Polizisten schossen. Dieses Gespräch wurde ganz offen geführt, da Polizei und Spitzel es in den Arbeitervierteln vorzogen, unbemerkt zu bleiben. "Wir werden mit ihnen abrechnen", schloß der Soldat. Der Rapport lautet weiter: "Ein Arbeiter sagte: "Dazu muß man sich organisieren, damit alle wie einer sind." Der Soldat antwortete: "Darüber braucht man sich keine Sorgen zu machen, bei uns ist schon längst organisiert ... Sie haben genug Blut getrunken, die Menschen leiden an der Front, sie aber fressen sich hier dicke Fratzen an ... " Besondere Vorfälle haben sich nicht ereignet. 10. Februar 1917. Krestjaninow." > Ein unvergleichliches Spitzel-Epos! "Besondere Vorfälle haben sich nicht ereignet." Sie werden sich ereignen, und zwar bald: die Unterhaltung in der Straßenbahn verzeichnet ihr unausbleibliches Nahen.
    Den elementaren

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