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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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die erste Reaktion der vom Zaren aufgelösten Duma auf den Sieg des Aufstandes.
    Inzwischen schuf die Revolution im selben Gebäude, aber in seinem weniger prunkvollen Teil, ein anderes Organ. Die revolutionären Führer brauchten es nicht zu erfinden. Die Erfahrung der Sowjets von 1905 hatte sich für immer ins Bewußtsein der Arbeiter eingeprägt. Bei jedem Aufstieg der Bewegung, sogar im Kriege, lebte fast automatisch die Idee der Sowjets auf. Und obwohl das Verständnis für die Rolle der Sowjets bei Bolschewiki und Menschewiki verschieden tief war - die Sozialrevolutionäre entbehrten überhaupt beständiger Einstellungen -, war es, als ob die Form der Organisation selbst außerhalb jeder Diskussion stünde. Die aus dem Gefängnis befreiten Menschewiki, Mitglieder des Kriegsindustrie-Komitees, trafen sich im Taurischen Palais mit Führern der Gewerkschaften und der Kooperativen des gleichen rechten Flügels, wie auch mit den menschewistischen Dumadeputierten Tschcheidse und Skobeljew, und bildeten an Ort und Stelle ein provisorisches Exekutivkomitee des Sowjets der Arbeiterdeputierten, das im Laufe des Tages hauptsächlich durch ehemalige Revolutionäre ergänzt wurde, die zwar die Verbindung mit den Massen verloren, aber doch einen "Namen" behalten hatten. Das Exekutivkomitee, das auch Bolschewiki in seinen Bestand einbezog, rief die
    Arbeiter auf, unverzüglich Deputierte zu wählen. Die erste Sitzung war für den Abend im Taurischen Palais anberaumt. Sie fand tatsächlich um 9 Uhr abends statt; sie sanktionierte die Zusammensetzung des Exekutivkomitees und ergänzte dieses durch offizielle Vertreter aller sozialistischen Parteien. Doch nicht hierin lag die Bedeutung der ersten Versammlung der Vertreter des siegreichen Proletariats der Hauptstadt. In der Sitzung traten Delegierte der aufständischen Regimenter mit Begrüßungsworten auf Unter ihnen waren auch die grauen Soldaten, denen die Revolution gleichsam Kontusionen beigebracht hatte und die noch kaum die Zunge bewegen konnten. Gerade sie aber fanden Worte, die kein Tribun zu finden vermocht hätte. Das war eine der pathetischsten Szenen der Revolution, die nun ihre Kraft zu fühlen begann, die Unzählbarkeit der erwachten Massen, die Grandiosität der Aufgaben, den Stolz auf die eigenen Erfolge, den jubelnden Herzensschauer vor dem morgigen Tag, der noch herrlicher werden müsse als der heutige. Die Revolution entbehrt noch ihres Rituals, die Straße liegt noch im Rauch, die Massen wissen die neuen Lieder noch nicht, die Sitzung verläuft in Unordnung, uferlos wie ein Fluß bei Hochwasser, der Sowjet verschluckt sich am eigenen Enthusiasmus. Die Revolution ist bereits mächtig, aber noch von kindlicher Naivität.
    In dieser ersten Sitzung wird beschlossen, die Garnison und die Arbeiter zu einem gemeinsamen Sowjet der Arbeiterund Soldatendeputierten zu vereinigen. Wer schlug diesen Beschluß zuerst vor? Er wird von verschiedenen, oder richtiger gesagt, von allen Seiten gekommen sein, als Widerhall jener Verbrüderung zwischen Arbeitern und Soldaten, die an diesem Tage das Schicksal der Revolution entschieden hat. Dabei muß jedoch vermerkt werden, daß, nach den Worten Schljapnikows, die Sozialpatrioten anfänglich gegen das Hineinziehen der Armee in die Politik protestiert hatten. Vom Moment seiner Entstehung an beginnt der Sowjet in Gestalt des Exekutivkomitees als Regierungsmacht zu handeln. Er wählt eine provisorische Ernährungskommission und überträgt ihr die Sorge um die Aufständischen und um die Garnison überhaupt. Er stellt an seine Seite einen provisorischen revolutionären Stab - alles heißt in diesen Tagen provisorisch -, von dem wir bereits gesprochen haben. Um die Finanzmittel der Verfügung der Beamten der alten Regierung zu entziehen, beschließt der Sowjet, Reichsbank, Reichsschatzamt, Münze und Ausgabestelle für Staatspapiere sofort durch revolutionäre Wachen zu besetzen. Die Aufgaben und die Funktionen des Sowjets wachsen unter dem Druck der Massen ununterbrochen. Die Revolution bekommt ihr unbestreitbares Zentrum. Die Arbeiter, Soldaten und bald auch die Bauern werden sich von nun an nur noch an den Sowjet wenden - er wird in ihren Augen der Mittelpunkt aller Hoffnungen und aller Behörden, die Verkörperung der Revolution selbst sein. Doch auch Vertreter der besitzenden Klasse werden, wenn auch zähneknirschend, beim Sowjet Schutz, Weisungen und Entscheidung bei Konflikten suchen. Jedoch schon in den ersten Stunden des

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