Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
allerdings ein ungezwungenes Argument, berechnet auf die Psychologie der linken Einfaltspinsel, doch auch für diese zu plump. Den breiten Kreisen der liberalen Bürger wurde suggeriert, Michail sei "Anglomane", ohne genau anzugeben, ob die Rede um Pferderennen oder um Parlamentarismus ging. Hauptsache bleibt, man hat ein "gewohntes Machtsymbol", sonst könnte das Volk sich einbilden, die Zeit der Herrschaftslosigkeit sei gekommen.
Die Demokraten hörten zu, staunten höflich und versuchten zu überreden ... die Republik zu proklamieren? Nein, nur die Frage nicht vorwegzunehmen. Punkt 3 der Bedingungen des Exekutivkomitees lautete: "Die Provisorische Regierung darf keinerlei Schritte unternehmen, die die zukünftige Regierungsform im voraus festlegen." Miljukow machte aus der Frage der Monarchie ein Ultimatum. Die Demokraten waren verzweifelt. Da aber kamen die Massen zu Hilfe. Auf den Meetings im Taurischen Palais wollte niemand, weder die Arbeiter noch die Soldaten, einen Zaren, und es gab kein Mittel, ihnen diesen aufzuzwingen. Trotzdem versuchte Miljukow gegen den Strom zu schwimmen und über die Köpfe der linken Verbündeten hinweg Thron und Dynastie zu retten. In seiner Geschichte der Revolution verzeichnet er zurückhaltend selbst, daß gegen Abend des 2. März die durch seine Mitteilung von der Regentschaft Michails hervorgerufene Aufregung "sich bedeutend steigerte". Viel farbiger schildert Rodsjanko den Effekt, den die monarchistischen Manöver der Liberalen bei den Massen auslösten. Kaum aus Pskow mit dem Verzichtsakt Nikolaus' zugunsten Michails zurückgekehrt, begab sich Gutschkow auf Verlangen der Arbeiter vom Bahnhof in die Eisenbahnwerkstätten, schilderte das Vorgefallene, las den Verzichtsakt vor und schloß mit den Worten: "Es lebe Kaiser Michail!" Das Resultat war ein völlig unerwartetes. Der Redner wurde, nach Rodsjankos Bericht, von den Arbeitern unverzüglich verhaftet, angeblich sogar unter Androhung der Erschießung. "Mit großer Mühe gelang es, ihn mit Hilfe der Wachkompanie des nächsten Regiments zu befreien." Wie stets, übertreibt Rodsjanko in manchen Punkten, doch die Darstellung ist im wesentlichen richtig. Das Land hatte die Monarchie so radikal erbrochen, daß sie dem Volk nicht mehr durch die Kehle gehen wollte. Die revolutionären Massen ließen den Gedanken an einen neuen Zaren nicht mehr aufkommen! Angesichts dieser Konjunktur rückten die Mitglieder des Provisorischen Komitees eines nach dem andern von Michail ab, nicht endgültig, sondern "bis zur konstituierenden Versammlung": da werde man schon sehen. Nur Miljukow und Gutschkow verteidigten die Monarchie bis zuletzt und machten weiterhin ihre Beteiligung am Kabinett davon abhängig. Was tun? Die Demokraten meinten, man könne ohne Miljukow keine bürgerliche Regierung bilden und ohne bürgerliche Regierung die Revolution retten. Es folgten endlose Wortwechsel und Unterredungen. In der Vormittagssitzung des 3. März obsiegte im Provisorischen Komitee fast durchgehend die Überzeugung, es sei notwendig, "den Großfürsten zur Abdankung zu bewegen" - er wurde mithin schon als Zar betrachtet! Der linke Kadett Nekrassow hatte bereits den Text der Abdankung fertig. Da aber Miljukow sich hartnäckig widersetzte, fand man nach neuem leidenschaftlichen Streit schließlich eine Lösung: "Beide Parteien bringen dem Großfürsten ihre motivierten Ansichten vor und überlassen, ohne in weitere Diskussionen einzugehen, dem Großfürsten die Entscheidung." Auf diese Weise wurde der "ganz dumme Mensch", dem sein durch den Aufstand gestürzter älterer Bruder, in Widerspruch selbst zu den dynastischen Statuten, den Thron unterzuschieben versucht hatte, zum Schiedsrichter über die Frage der Staatsform des revolutionären Landes. So unglaublich das scheinen mag, dieser Wettstreitprozeß um das Schicksal des Staates hat stattgefunden. Um den Großfürsten zu bewegen, sich des Thrones halber von den Ställen loszureißen, versicherte ihm Miljukow, es bestehe durchaus die Möglichkeit, außerhalb Petrograds eine Militärmacht zu sammeln zur Verteidigung seiner Rechte. Mit anderen Worten, kaum die Macht aus den Händen der Sozialisten erhalten, trat Miljukow mit dem Plan eines monarchistischen Staatsstreiches hervor. Doch nach Beendigung der Für- und Widerreden, deren es nicht wenige gab, erbat sich der Großfürst Bedenkzeit. Michail lud Rodsjanko in ein Nebenzimmer ein und stellte ihm unvermittelt die Frage: können die neuen Herrscher ihm
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