Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Regierung "die Zeit zum Handeln gekommen war, sogar auf das Risiko hin, die Bolschewiki auf die Straße herauszufordern ". Wobei Sawinkow "offen davon sprach, es sei ein leichtes, mit zwei Regimentern den bolschewistischen Aufruhr niederzuschlagen und die bolschewistischen Organisationen auseinanderzutreiben".
Sowohl Kerenski wie Sawinkow begriffen sehr gut, besonders nach der Moskauer Beratung, daß die Versöhnlersowjets Kornilows Programm unter keinen Umständen annehmen würden. Der Petrograder Sowjet, der erst gestern die Abschaffung der Todesstrafe an der Front gefordert hat, wird sich morgen mit verdoppelten Kräften der Ausdehnung der Todesstrafe auf das Hinterland widersetzen! Die Gefahr bestand folglich darin, daß an die Spitze der Bewegung gegen die von Kerenski geplante Umwälzung nicht die Bolschewiki, sondern die Sowjets zu stehen kämen. Doch auch davor durfte man nicht zurückschrecken: ging es doch um die Rettung des Landes!
"Am 22. August", schreibt Kerenski, "reiste Sawinkow ins Hauptquartier unter anderem [!] auch zu dem Zweck, um in meinem Auftrage vom General Kornilow die Abkommandierung eines Kavalleriekorps zur Disposition der Regierung zu fordern." Sawinkow selbst charakterisiert diesen Auftrag, als er gezwungen ist, sich vor der öffentlichen Meinung zu rechtfertigen, folgendermaßen: "vom General Kornilow ein Kavalleriekorps auszubitten zur realen Durchführung des Belagerungszustandes in Petrograd und zum Schutze der Provisorischen Regierung gegen jeglichen Anschlag, insbesondere [!] gegen einen Anschlag seitens der Bolschewiki, deren Aktion ..., nach Angaben der ausländischen Konterspionage, im Zusammenhang mit der deutschen Landung und dem Aufstand in Finnland in Vorbereitung war ... " Die phantastischen Angaben der Konterspionage sollten einfach die Tatsache verschleiern, daß die Regierung selbst, nach Miljukows Ausdruck, "das Risiko, die Bolschewiki auf die Straße herauszufordern", einging, das heißt bereit war, den Aufstand zu provozieren. Da aber die Veröffentlichung der Dekrete über die Militärdiktatur für die letzten Augusttage festgesetzt war, paßte Sawinkow auch die erwartete Meuterei diesem Termin an.
Am 25. August wurde ohne jeglichen äußeren Anlaß das Organ der Bolschewiki Proletarij verboten. Das Ersatzblatt Rabotschij (Arbeiter) schrieb, sein Vorgänger sei "verboten worden einen Tag, nachdem er in Zusammenhang mit dem Durchbruch der Rigaer Front die Arbeiter und Soldaten zu Ruhe und Besonnenheit aufgefordert hat. Wessen Hand ist so besorgt, die Arbeiter nicht wissen zu lassen, daß die Partei sie vor Provokationen warnt?" Die Frage traf den Kern. Das Schicksal der bolschewistischen Presse befand sich in Sawinkows Händen. Das Zeitungsverbot brachte zwei Vorteile: es reizte die Massen und hinderte die Partei, sie vor Provokation zu schützen, die diesmal direkt aus Regierungshöhen kam.
Nach den protokollarischen Aufzeichnungen des Hauptquartiers, die, vielleicht etwas stilisiert, im allgemeinen jedoch Situation und handelnde Personen vollkommen richtig charakterisieren, hatte Sawinkow dem General Kornilow erklärt: "Ihre Forderungen, Lawr Georgjewitsch, werden in den nächsten Tagen erfüllt werden. Doch befürchtet dabei die Regierung, daß in Petrograd ernste Komplikationen entstehen könnten ... Die Veröffentlichung Ihrer Forderungen ... dürfte einen Anstoß für das Hervortreten der Bolschewiki bilden ... Es ist nicht bekannt, wie sich die Sowjets zum neuen Gesetz verhalten werden. Die letzteren könnten ebenfalls gegen die Regierung sein ... Deshalb bitte ich Sie, zu verfügen, daß das dritte Kavalleriekorps Ende August näher an Petrograd herangezogen und zur Disposition gestellt werde. Im Falle, daß außer den Bolschewiki die Sowjetmitglieder sich erheben sollten, wären wir gezwungen, auch gegen sie vorzugehen." Kerenskis Bote fügte hinzu, die Maßnahmen müßten entschlossen und erbarmungslos sein, worauf Kornilow erwiderte: daß er "andere Maßnahmen auch nicht verstehe" ... Später, als es galt, sich zu rechtfertigen, fügte Sawinkow hinzu: "Wenn im Augenblick des Aufstandes der Bolschewiki die Sowjets bolschewistisch gewesen wären ..." Doch dies ist ein zu plumper Trick: die Dekrete, die Kerenskis Umwälzung ankündigten, sollten bereits in drei bis vier Tagen erscheinen. Folglich war die Rede nicht von Zukunftssowjets, sondern von denen, die Ende August bestanden. Um keine Mißverständnisse entstehen zu lassen und die Aktion der
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