Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Sawinkows Ermahnungen über den direkten Draht fruchteten nicht. "Gezwungen, offen hervorzutreten", mit diesem Manifest wandte sich der Höchstkommandierende an das Volk, "erkläre ich, General Kornilow, daß die Provisorische Regierung unter dem Druck der bolschewistischen Sowjetmehrheit im völligen Einverständnis mit den Plänen des deutschen Generalstabs handelt, gleichzeitig mit der bevorstehenden Landung feindlicher Kräfte an der Rigaer Küste die Armee mordet und das Land im Innern erschüttert." Nicht gewillt, die Macht Verrätern auszuhändigen, ziehe er, Kornilow, vor, "zu sterben auf dem Felde der Ehre und des Kampfes". Über den Autor dieses Manifestes schrieb später Miljukow mit einem Anflug von Entzücken: "Ohne r-gendwelche juristische Spitzfindigkeiten anzuerkennen, ging er entschlossen direkt auf das Ziel los, das er einmal für richtig erkannt hatte." Ein Höchstkommandierender, der von der Front Truppen zurückzieht, die eigene Regierung zu stürzen, kann tatsächlich nicht der Vorliebe für "juristische Spitzfindigkeiten" beschuldigt werden.
Kornilow wurde von Kerenski höchsteigenmächtig abgesetzt. Die Provisorische Regierung existierte zu dieser Zeit bereits nicht mehr: am Abend des 26. hatten die Herren Minister ihre Demission eingereicht, die durch eine glückliche Fügung der Dinge den Wünschen aller Parteien entsprach. Schon einige Tage vor dem Bruch des Hauptquartiers mit der Provisorischen Regierung hatte General Lukomski durch Aladjins Mund Lwow erklärt: "Es wäre gut, die Kadetten aufmerksam zu machen, sie mögen sämtlich vor dem 27. August aus der Provisorischen Regierung austreten, um damit die Regierung in eine schwierige Lage zu bringen und sich selbst Unannehmlichkeiten zu entziehen." Die Kadetten verfehlten nicht, diesen Rat zur Kenntnis zu nehmen. Andererseits hatte Kerenski der Regierung erklärt, er erachte den Kampf gegen Kornilows Rebellion für möglich "nur unter der Bedingung, daß die ganze Fülle der Macht ihm allein überlassen werde". Die übrigen Minister hatten förmlich nur auf einen so glücklichen Vorwand gewartet, um die fällige Demission einzureichen. So wurde die Koalition einer erneuten Nachprüfung unterworfen. "Die Minister aus der Kadettenpartei", schreibt Miljukow, "erklärten, sie nähmen im gegebenen Augenblick ihre Demission, ohne über die Frage ihrer späteren Beteiligung an der Provisorischen Regierung im voraus zu entscheiden." Ihrer Tradition getreu wollten die Kadetten die Kampftage beiseitestehend abwarten, um je nach deren Ausgang Entschlüsse zu fassen. Sie zweifelten nicht, daß die Versöhnler ihnen ihre Plätze unangetastet aufbewahren würden. Nachdem sie sich der Verantwortung entledigt hatten, nahmen die Kadetten gemeinsam mit den übrigen verabschiedeten Ministern an einer Reihe von Regierungsberatungen teil, die "privaten Charakter" trugen. Zwei Lager, die zum Bürgerkrieg rüsteten, gruppierten sich "privat" um das Regierungshaupt, das mit allen möglichen Vollmachten ausgestattet war, nur nicht mit der wirklichen Macht.
Auf das im Hauptquartier eingegangene Telegramm Kerenskis: "Alle auf dem Wege nach Petrograd und dessen Bezirk befindlichen Staffeln sind aufzuhalten und zu ihrem bisherigen letzten Standort zurückzuführen", vermerkt Kornilow: "Diesen Befehl nicht ausführen, Truppen nach Petrograd vorrücken lassen." Die Sache der bewaffneten Rebellion kam somit ins feste Geleise. Das ist buchstäblich zu verstehen: drei Kavalleriedivisionen rückten in Eisenbahnstaffeln gegen die Hauptstadt vor.
Kerenskis Befehl an die Petrograder Truppen lautete: "General Kornilow, der seinen Patriotismus und seine Treue zum Volke beteuerte ... nahm Regimenter von der Front und ... schickte sie gegen Petrograd." Kerenski verschwieg wohlweislich, daß die Regimenter von der Front weggenommen worden waren nicht nur mit seinem Wissen, sondern auf seine direkte Forderung hin für ein Strafgericht über die gleiche Garnison, vor der er jetzt der Treubruch Kornilows entlarvte. Der rebellische Höchstkommandierende war selbstverständlich um eine Antwort nicht verlegen. "... Die Verräter weilen nicht unter uns", heißt es in seinem Telegramm, "sondern dort, in Petrograd, wo unter verbrecherischer Duldung der Regierung gegen deutsches Geld Rußland verkauft wurde und verkauft wird." So bahnte sich die gegen die Bolschewiki erhobene Verleumdung immer neue und neue Wege.
Jene gehobene nächtliche Stimmung, in der der Vorsitzende des
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