Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Nachricht, Kaledin drohe, Petrograd und Moskau vom brotreichen Süden Rußlands abzuschneiden.
Hauptquartier, Oberbefehlshaber der Fronten, britische Militärmission, Offizierskorps, Staffeln, Eisenbahnerbataillone, Kosakentum, Kaledin - all das empfand man im Malachitsaal des Winterpalais als Posaunenklänge des Jüngsten Gerichts.
Mit den unvermeidlichen Abschwächungen gibt es Kerenski selbst zu. "Der 28. August", schreibt er, "war gerade die Zeit größter Schwankungen, größter Zweifel an der Kraft der Gegner Kornilows, größter Nervosität bei der Demokratie selbst." Es. ist nicht schwer, sich auszumalen, was sich hinter diesen Worten verbirgt. Das Regierungshaupt marterten Erwägungen nicht nur darüber, welches von beiden Lagern das stärkere, sondern auch, welches für ihn das schrecklichere sei. "Wir sind nicht mit euch, Rechts, und nicht mit euch, Links", solche Worte klangen effektvoll von der Bühne des Moskauer Theaters. Doch übersetzt in die Sprache des aufflackernden Bürgerkrieges, bedeuteten sie, Kerenskis Kreis könnte sich den Rechten wie den Linken als überflüssig erweisen. "Wir alle", schreibt Stankewitsch, "waren buchstäblich betäubt vor Verzweiflung darüber, daß ein Drama geschah, das alles vernichtet. Den Grad der Betäubung kann man danach beurteilen, daß sogar trotz dem angesichts des ganzen Volkes erfolgten Bruch des Hauptquartiers mit der Regierung Versuche unternommen wurden, irgendeine Versöhnung zu finden"
"Der Gedanke an eine Vermittlung ... entstand in dieser Situation von selbst", sagt Miljukow, der es vorzog, in dritter Person zu handeln. Am Abend des 28. erschien er im Winterpalais, um "Kerenski zu raten, von dem streng formalistischen Standpunkte der Gesetzesverletzung abzugehen". Der liberale Führer, der sehr gut wußte, daß man zwischen dem Kern der Nuß und ihrer Schale unterscheiden muß, war gleichzeitig die geeignetste Persönlichkeit für den Beruf des loyalen Vermittlers. Am 13. August hatte Miljukow unmittelbar von Kornilow erfahren, daß der Aufstand von diesem auf den 27. angesetzt war. Am nächsten Tage, dem 14., forderte Miljukow in seiner Rede vor der Beratung, daß "die sofortige Ergreifung der vom Höchstkommandierenden vorgezeichneten Maßnahmen nicht zum Anlaß von Verdächtigungen, Drohungen oder gar Entlassungen dienen dürfen". Bis zum 27. mußte Kornilow außerhalb jeden Verdachtes bleiben! Gleichzeitig versprach Miljukow seine Unterstützung "freiwillig und ohne Streit". Wenn irgendwo, dann ist es hier angebracht, an die Galgenschlinge zu erinnern, die ja gleichfalls "ohne Streit" unterstützt.
Kerenski seinerseits gesteht, daß der mit dem Vermittlungsangebot erschienene Miljukow "eine sehr passende Minute gewählt hatte, um mir zu beweisen, daß die reale Macht auf seiten Kornilows sei". Die Unterhaltung verlief derart günstig, daß Miljukow danach seinen politischen Freunden General Alexejew als jene Stellvertreter Kerenskis nennen konnte, gegen den Kornilow nichts einzuwenden haben würde. Alexejew gab großmütig sein Zustimmung.
Auf Miljukow folgte einer, der größer war als er. Spät abends händigte der britische Gesandte Buchanan dem Minister des Auswärtigen eine Deklaration ein, in der die Vertreter der alliierten Mächte einmütig ihre freundschaftlichen Dienste anboten, "im Interesse der Humanität und aus dem Wunsche heraus, ein nicht wieder gutzumachendes Unglück zu verhüten". Die offizielle Vermittlung zwischen Regierung und rebellischem General war nichts anderes als Hilfe und Rückversicherung für die Rebellion. Als Antwort sprach Tereschtschenko im Namen der Provisorischen Regierung "höchste Verwunderung" aus über den Aufstand Kornilows, dessen Programm zum größten Teil von der Regierung akzeptiert worden war.
Im Zustande der Vereinsamung und Büßerstimmung fand Kerenski nichts Besseres zu tun, als noch eine endlose Beratung mit seinem verabschiedeten Ministern zu veranstalten. Gerade während dieses uneigennützigen Zeitvertreibs trafen besonders beunruhigende Nachrichten ein über Vorrücken der feindlichen Staffeln. Nekrassow mutmaßte, "die Kornilowschen Truppen werden wahrscheinlich in einigen Stunden bereits in Petrograd sein" ... Die ehemaligen Minister stellten nun Betrachtungen an: "Wie müßte sich unter diesen Umständen die Regierungsmacht gestalten." Die Idee eines Direktoriums tauchte wieder an der Oberfläche auf. Mit Sympathie begegnete der rechte wie der linke Teil dem Gedanken, in das
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