Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
verabschiedeten Ministerrates Opernarien sang, war schnell verflogen. Der Kampf gegen Kornilow, welche Wendung er auch nehmen mochte, drohte mit schwersten Folgen. "Schon in der ersten Nacht des Aufstandes des Hauptquartiers", schreibt Kerenski, "verbreitete sich in Sowjet-, Soldaten- und Arbeiterkreisen Petersburgs hartnäckig das Gerücht von der Beteiligung Sawinkows an der Bewegung des Generals Kornilow." Das Gerücht nannte Kerenski gleich hinter Sawinkow, und das Gerücht irrte nicht. Man mußte mithin gefährlichste Enthüllungen befürchten.
"Spät nachts zum 26. August", erzählt Kerenski, "betrat in höchster Aufregung der Leiter des Kriegsministeriums mein Zimmer. "Herr Minister", wandte Sawinkow, Frontstellung einnehmend, sich an mich, "ich bitte Sie, mich sofort zu verhaften als Mitschuldigen des Generals Kornilow. Falls Sie mir aber vertrauen, dann bitte ich Sie, mir die Möglichkeit zu geben, dem Volk durch die Tat zu beweisen, daß ich mit den Aufständischen nicht gemein habe ..." - "Als Antwort auf diese Erklärung", fuhr Kerenski fort, "ernannte ich Sawinkow sogleich zum provisorischen Generalgouverneur von Petersburg und verlieh ihm weitestgehende Vollmachten für die Verteidigung Petersburgs gegen die Truppen des Generals Kornilow." Mehr noch: Auf Sawinkow Bitte hin ernannte Kerenski Filonenko zu dessen Gehilfen. Die Sache des Aufstandes wie die Sache seiner Unterdrückung blieb somit im Kreise des "Direktoriums".
Die so hastige Ernennung Sawinkows zum Generalgouverneur diktierte Kerenski der Kampf um die politische Selbsterhaltung: hätte Kerenski Sawinkow den Sowjets ausgeliefert, dann hätte Sawinkow sogleich Kerenski ausgeliefert. Umgekehrt, nachdem Sawinkow nicht ohne Erpressung von Kerenski die Möglichkeit erhalten hatte, sich durch die zur Schau gestellte Beteiligung an den Operationen gegen Kornilow zu legalisieren, mußte er alles zur Reinwaschung Kerenskis aufbieten. Der "Generalgouverneur" war weniger für den Kampf gegen die Konterrevolution notwendig als für die Vernichtung der Spuren der Verschwörung. Die einmütige Zusammenarbeit der Komplicen in dieser Richtung begann unverzüglich.
"Um 4 Uhr morgens, den 28. August", bekundet Sawinkow, "kehrte ich einer Aufforderung Kerenskis gemäß ins Winterpalais zurück und fand dort General Alexejew und Tereschtschenko vor. Alle vier waren wir uns einig, daß das Ultimatum Lwows nichts als ein Mißverständnis sei." Die Vermittlerrolle bei dieser Beratung in der Morgendämmerung gehörte dem neuen Generalgouverneur. Hinter den Kulissen lenkte Miljukow: im Laufe des Tages wird er offen auf die Bühne treten. Alexejew, wiewohl er Kornilow einen Hammelkopf genannt hatte, gehörte mit ihm zum gleichen Lager. Die Verschwörer und ihre Sekundanten machten den letzten Versuch, alles Vorgefallene als ein "Mißverständnis" zu erklären, das heißt gemeinsam die öffentliche Meinung zu täuschen, um zu retten, was am gemeinsamen Plan noch zu retten war. Die "wilde" Division, General Krymow, die Kosakenstaffeln, Kornilows Weigerung, den Posten abzugeben, der Marsch auf die Hauptstadt - das alles seien nichts weiter als Details eines "Mißverständnisses"! Erschrocken über die unheildrohende Verflechtung der Umstände, schrie Kerenski bereits nicht mehr: "Ich werde ihnen die Revolution nicht ausliefern!" Gleich nach der Verständigung mit Alexejew trat er in das Zimmer der Journalisten im Winterpalais und wandte sich an diese mit der Forderung, aus allen Zeitungen seinen Aufruf, der Kornilow als Verräter erklärte, herauszunehmen. Als die Antworten der Journalisten ergaben, daß diese Aufgabe technisch undurchführbar war, rief Kerenski aus: "Sehr schade!." Diese kleine, in den Zeitungsberichten des folgenden Tages festgehaltene Episode beleuchtet mit unerhörter Kraßheit die Figur des ganz durcheinander geratenen Superarbiters der Nation; Kerenski verkörperte so vollendet in seiner Person Demokratie wie auch Bourgeoisie, daß er sich nun gleichzeitig als höchster Träger der Staatsmacht und als verbrecherischer Verschwörer gegen sie erwies.
Gegen Morgen des 28. wurde der Bruch zwischen Regierung und Höchstkommandierendem als vollendete Tatsache dem ganzen Lande offenbar. In die Angelegenheit mischte sich sogleich die Börse ein. Hatte sie auf die Moskauer Rede Kornilows hin, die die Preisgabe Rigas androhte, mit dem Sinken der russischen Papiere geantwortet, so reagierte sie auf die Nachricht vom offenen Aufstand der Generale mit dem
Weitere Kostenlose Bücher