Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
nannte Sawinkow das gleiche Datum, das Kornilow schon längst für das Vorgehen gegen Kerenski vorgesehen hatte: das Halbjahrsjubiläum der Revolution. Obwohl der Plan der Umwälzung in zwei Arme sich teilte, waren beide Seiten bestrebt, mit gemeinsamen Elementen des Planes zu operieren: Kornilow - zur Maskierung, Kerenski zur Stützung der eigenen Illusionen. Sawinkows Angebot kam dem Hauptquartier höchst gelegen: die Regierung hielt selbst den Kopf hin, Sawinkow ging daran, die Schlinge zuzuziehen. Die Generale im Hauptquartier rieben sich die Hände: "Angebissen!" sagten sie, wie glückliche Angler.
Kornilow ging um so leichter auf Zugeständnisse ein, als sie ihn nichts kosteten. Welche Bedeutung hat eine Aussonderung der Petrograder Garnison aus dem Kommandobereich des Hauptquartiers, wenn in die Hauptstadt Kornilowsche Truppen einmarschieren? Während er die beiden übrigen Bedingungen annahm, verletzte Kornilow sie sogleich: die "wilde" Division wurde als Avantgarde bestimmt und Krymow an die Spitze der gesamten Operation gestellt. Kornilow hielt es nicht für nötig, Mücken zu seihen.
Die Kernfragen ihrer Taktik berieten die Bolschewiki in aller Öffentlichkeit: eine Massenpartei kann auch gar nicht anders handeln. Regierung und Hauptquartier mußten wissen, daß die Bolschewiki von Aktionen zurückhalten, nicht aber zu solchen auffordern. Wie aber der Wunsch der Vater des Gedankens zu sein pflegt, so wird die politische Notwendigkeit Mutter der Prognose. Alle herrschenden Klassen sprachen vom bevorstehenden Aufstand, weil sie ihn um jeden Preis brauchten. Das Datum des Aufstandes wurde bald nähergerückt, bald um einige Tage verschoben. Die Presse berichtete, im Kriegsministerium, das heißt bei Sawinkow, beurteile man den bevorstehenden Aufstand "sehr ernst". Die Rjetsch meldete, die Initiative des Aufstandes sei durch die bolschewistische Fraktion des Petrograder Sowjets ergriffen worden. In seiner Eigenschaft als Politiker war Miljukow in Sachen des angeblichen Aufstandes der Bolschewiki dermaßen engagiert, daß er es für eine Ehrensache ansah, diese Version auch in seiner Eigenschaft als Historiker zu stützen. "Nach den später veröffentlichten Dokumenten der Konterspionage", schreibt er, "kam gerade zu dieser Zeit neue Anweisung deutschen Geldes für "Trotzkis Unternehmungen"." Wie die russische Konterspionage, so vergißt auch der gelehrte Historiker, daß Trotzki, den der deutsche Stab zur Bequemlichkeit der russischen Patrioten beim Namen nannte, "gerade zu dieser Zeit" - vom 23. Juli bis zum 4. September - sich im Gefängnis befand. Der Umstand, daß die Erdachse nur eine eingebildete Linie ist, hindert bekanntlich die Erde nicht, ihren Kreislauf zu vollziehen. So drehte sich auch der Plan der Kornilowschen Operation um den eingebildeten Aufstand der Bolschewiki als um seine eigene Achse. Dieses konnte für die Vorbereitungsperiode vollauf genügen. Für die Lösung war jedoch immerhin etwas Materielles nötig.
Einer der führenden militärischen Verschwörer, der Offizier Winberg, bestätigt in interessanten Aufzeichnungen, die hinter die Kulissen des ganzen Vorhabens führen, vollauf die Hinweise der Bolschewiki auf die umfassende Arbeit der militärischen Provokation. Miljukow war gezwungen, unter der Last der Tatsachen und Dokumente zuzugeben, "daß die Verdächtigungen der linksradikalen Kreise richtig waren; Agitation in den Betrieben war sicherlich eine ... der Aufgaben, die die Offiziersorganisationen zu erfüllen hatten". Doch auch das half nicht: die Bolschewiki hatten beschlossen, wie der gleiche Historiker klagt, "sich nicht zu stellen"; die Massen hatten nicht die Absicht, ohne die Bolschewiki hervorzutreten. Allein auch dieses Hindernis war im Plan vorgesehen und sozusagen von vornherein paralysiert. Das "republikanische Zentrum", wie das führende Organ der Verschwörer in Petrograd hieß, beschloß einfach, die Bol-schewiki zu ersetzen: mit der Imitierung des revolutionären Aufstandes wurde der Kosakenoberst Dutow beauftragt. Im Januar 1918 antwortete Dutow auf die Frage seiner politischen Freunde: "was sollte am 18. August 1917 geschehen?" wörtlich folgendes: "Zwischen 28. August und 2. September sollte unter der Maske der Bolschewiki ich auftreten." Alles war vorausgesehen. Nicht umsonst hatten den Plan Generalstabsoffiziere bearbeitet.
Kerenski seinerseits war nach der Rückkehr Sawinkows aus Mohilew geneigt, zu glauben, die Mißverständnisse seien beseitigt und das
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