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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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seine Forderungen nicht stellen können, würde er nicht vorher mit Kerenski eine Verschwörung gebildet haben. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß Kornilow mit der einen, der gemeinsamen Verschwörung die andere, seine eigene, verdeckte. Während Kerenski und Sawinkow sich anschickten, die Bolschewiki und zum Teil auch die Sowjets auszuräuchern, gedachte Kornilow dazu auch noch die Provisorische Regierung auszuräuchern. Aber das gerade wollte Kerenski nicht.
    Am Abend des 26. konnte das Hauptquartier einige Stunden lang tatsächlich glauben, die Regierung werde kampflos kapitulieren. Doch bedeutete dies nicht, daß etwa keine Verschwörung existierte, sondern nur, daß sie dem Triumphe nahe schien. Eine siegreiche Verschwörung findet stets Mittel, sich zu legalisieren. "Ich sah General Kornilow bald nach diesem Gespräch", bezeugt Fürst Trubetzkoi, ein Diplomat, der beim Hauptquartier das Außenministerium vertrat; "ein Seufzer der Erleichterung entrang sich seiner Brust, und auf meine Frage: also die Regierung kommt Ihnen in allem entgegen? - erwiderte er: "ja"." Kornilow irrte. Gerade in diesem Moment hatte die Regierung in der Person Kerenskis aufgehört, ihm entgegenzukommen.
    Also hat das Hauptquartier seine eigenen Pläne? Also geht es nicht um die Diktatur überhaupt, sondern um die Diktatur Kornilows? Ihm, Kerenski, offeriert man wie zum Hohn den Posten des Justizministers? Kornilow hatte tatsächlich die Unvorsichtigkeit gehabt, Lwow eine solche Anspielung zu machen. Sich mit der Revolution verwechselnd, schrie Kerenski vor dem Finanzminister Nekrassow: "Ich werde Ihnen die Revolution nicht ausliefern." Der uneigennützige Freund Lwow wurde sofort verhaftet und verbrachte eine schlaflose Nacht im Winterpalais mit zwei Posten zu seinen Füßen, während er zähneknirschend zuhören mußte, wie "nebenan hinter der Wand, im Zimmer Alexanders III., der triumphierende Kerenski, zufrieden über den erfolgreichen Verlauf seiner Sache, endlos Opernmelodien sang." In diesen Stunden empfand Kerenski einen außerordentlichen Zustrom an Energie.
    Petrograd lebte während jener Tage in doppelter Sorge. Die politische Spannung, von der Presse bewußt übertrieben, barg Explosionsgefahr in sich. Der Fall Rigas hatte die Front nähergerückt Die Frage der Evakuierung der Hauptstadt, durch die Kriegsereignisse bereits lange vor dem Sturz der Monarchie auf die Tagesordnung gestellt, gewann jetzt neue Schärfe. Die bemittelteren Leute verließen die Stadt. Die Flucht der Bourgeoisie nährte sich viel mehr von der Angst vor einem neuen Aufstand als vor der Angst vor dem Einfall des Feindes. Am 26. August wiederholte das Zentralkomitee der bolschewistischen Partei nochmals "Von dunklen Persönlichkeiten ... wird provokatorische Agitation getrieben angeblich im Namen unserer Partei." Die führenden Organe des Petrograder Sowjets, der Gewerkschaften und der Betriebskomitees erklärten am gleichen Tage: keine einzige Arbeiterorganisation, keine einzige politische Partei fordert zu irgendwelchen Demonstrationen auf. Gerüchte von dem am folgender Tag bevorstehenden Sturz der Regierung verstummten dennoch nicht eine Stunde. "In Regierungskreisen", berichtet die Presse. "verweist man auf den einmütig gefaßten Entschluß, alle Aufstandsversuche zu unterdrücken." Es seien sogar Maßnahmen getroffen, den Aufstand hervorzurufen, bevor man ihn unterdrückt.
    Die Morgenzeitungen des 27. berichteten noch immer nicht nur nichts über die Rebellionspläne des Hauptquartiers, sondern im Gegenteil, ein Interview mit Sawinkow versicherte, daß "General Kornilow das volle Vertrauen der Provisorischen Regierung genießt". Der Tag des Halbjahrsjubiläums verlief überhaupt ungewöhnlich ruhig. Die Arbeiter und Soldaten vermieden alles, was einer Demonstration ähnlich sehen konnte. Die Bourgeoisie, in Angst vor Unruhen, saß zu Hause. Die Straßen lagen leer. Die Gräber der Februaropfer auf dem Marsfelde schienen vergessen.
    Am Morgen des langerwarteten Tages, der dem Lande Rettung bringen sollte, erhielt der Höchstkommandierende vom Ministerpräsidenten den telegraphischen Befehl: seinen Posten dem Stabschef zu übergeben und sofort nach Petrograd abzureisen. Die Sache bekam jäh eine völlig unvorhergesehene Wendung. Der General begriff nach seinen eigenen Worten, daß "hier ein Doppelspiel gespielt wird". Mit mehr Recht hätte er sagen können daß sein eigenes Doppelspiel aufgedeckt sei. Kornilow beschloß, nicht nachzugehen.

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