Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Steigen aller Werte. Mit ihrer herabwürdigenden Notierung des Februarregimes verlieh die Börse einwandfreien Ausdruck den Hoffnungen und Stimmungen der besitzenden Klassen, die an dem Siege Kornilows nicht zweifelten.
Stabschef Lukomski, dem Kerenski am Vorabend befohlen hatte, provisorisch das Kommando zu übernehmen, antwortete: "Betrachte es als unmöglich, General Kornilow das Amt abzunehmen, denn dann würde in der Armee eine Explosion erfolgen, die Rußland vernichten müßte." Außer dem kaukasischen Oberkommandierenden, der nicht ohne Verspätung der Provisorischen Regierung seine Treue bekundete, unterstützten die übrigen Oberkommandierenden in verschiedenen Tonarten Kornilows Forderungen. Von den Kadetten inspiriert, versandte das Hauptkomitee des Offiziersverbandes an alle Stäbe der Armee und Flotte folgendes Telegramm: "Die Provisorische Regierung, die uns bereits wiederholt ihre Staatsohnmacht bewies, hat ihren Namen nunmehr durch eine Provokation entehrt und kann nicht länger an der Spitze Rußlands bleiben ..." Ehrenvorsitzender des Offiziersverbandes war der gleiche Lukomski! General Krassnow, zum Kommandierenden des 3. Kavalleriekorps ernannt, erklärte im Hauptquartier: "Niemand wird Kerenski verteidigen. Das Ganze ist nur ein Spaziergang. Alles ist vorbereitet."
Von den optimistischen Berechnungen der Leiter und Inspiratoren der Verschwörung bekommt man keine üble Vorstellung nach dem chiffrierten Telegramm des uns bereits bekannten Fürsten Trubetzkoi an den Minister des Auswärtigen: "Nüchtern die Lage einschätzend", schreibt er, "muß man gestehen, daß der gesamte Kommandobestand, die überwiegende Mehrzahl der Offiziere und die besten Fronttruppen mit Kornilow gehen werden. Auf seine Seite werden sich im Hinterlande das gesamte Kosakentum, die meisten Kriegsschulen und wiederum die besten Frontabteilungen stellen. Zu der physischen Macht muß man hinzurechnen ... die moralische Sympathie aller nichtsozialistischen Bevölkerungsschichten und, bei dem niederen Volke ... die Gleichgültigkeit, die sich jedem Peitschenhieb unterwirft. Es ist außer Zweifel, daß ein großer Teil der Märzsozialisten nicht zögern wird, im Falle seines Sieges auf die Seite Kornilows überzugehen." Trubetzkoi gab nicht nur die Hoffnungen des Hauptquartiers wieder, sondern auch die Stimmungen der alliierten Missionen. In der zur Eroberung Petrograds vorrückenden Kornilowschen Abteilung befanden sich englische Panzerwagen mit englischer Bedienung: und dies war, wie anzunehmen ist, der zuverlässigste Teil. Das Haupt der englischen Militärmission in Rußland, General Knox, machte dem amerikanischen Oberst Robins zum Vorwurf, daß er Kornilow nicht unterstützte. "Ich bin an der Kerenski-Regierung desinteressiert", sagte der britische General, "sie ist zu schwach; man braucht die Militärdiktatur, man braucht die Kosaken, dieses Volk braucht die Knute! Diktatur - das ist's, was not tut."
Alle diese Stimmen gelangten von verschiedenen Seiten ins Winterpalais und wirkten erschütternd auf seine Bewohner. Kornilows Erfolg schien unabwendbar. Der Minister Nekrassow berichtete seinen Freunden, die Sache sei restlos verloren, und es bleibe nur, ehrlich zu sterben. "Einige angesehene Sowjetführer", behauptet Miljukow, "ihr Schicksal im Falle eines Sieges Kornilows ahnend, besorgten sich eiligst Auslandspässe."
Von Stunde zu Stunde trafen Nachrichten vom Nahen der Kornilowschen Truppen ein, eine bedrohlicher als die andere. Die bürgerliche Presse griff sie gierig auf übertrieb sie, häufte sie an und schuf eine Atmosphäre der Panik. 12.30 Uhr des 28. August: "Die von General Kornilow ausgesandte Abteilung hat sich bei Luga konzentriert." 2.30 Uhr nachmittags: "Die Station Oredesch passieren neun weitere Züge Kornilowscher Truppen. Im Kopfzug befindet sich ein Eisenbahnerbataillon." 3 Uhr nachmittags: "Die Lugaer Garnison hat sich den Truppen General Kornilows ergeben und die gesamten Waffen ausgeliefert. Station und sämtliche Regierungsgebäude Lugas sind von Kornilows Truppen besetzt." 6 Uhr abends: "Zwei Staffeln Kornilowscher Truppen sind aus Narwa durchgebrochen und befinden sich eine halbe Werst von Gatschina entfernt. Zwei weitere Staffeln sind nach Gatschina unterwegs." 2 Uhr nachts zum 29. August: "Bei der Station Antropschino (33 Kilometer von Petrograd) hat ein Kampf zwischen Regierungs- und Korni-lowtruppen begonnen. Auf beiden Seiten gibt es Tote und Verwundete." In derselben Nacht kam die
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