Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
oder unschädlich gemacht worden sein, so daß Krymow nur noch die Ordnung in der Stadt herzustellen hätte". Allerdings hielt man in Mohilew dieses Aktionsprogramm für übertrieben und betraute mit der wesentlichsten Aufgabe Krymow, doch auch das Hauptquartier erwartete von den Abteilungen des republikanischen Zentrums sehr ernste Hilfe. Indes traten die Petrograder Verschwörer in keiner Weise in Erscheinung, sie muckten nicht, rühren keinen Finger, taten, als wären sie überhaupt nicht auf der Welt. Winberg erklärt dieses Rätsel ziemlich einfach. Es stellte sich heraus, daß der Leiter der Konterspionage, Oberst Heimann, die entscheidendsten Stunden in einem Vorstadtrestaurant verbrachte, während Oberst Sidorin, der in unmittelbarem Auftrage Kornilows die Tätigkeit der gesamten patriotischen Gesellschaften der Hauptstadt vereinigen sollte, und Oberst Ducimetiere, Leiter der militärischen Abteilung, "spurlos verschwanden und nirgendwo aufzufinden waren". Der Kosakenoberst Dutow, der "unter der Maske der Bolschewiki" aufzutreten hatte, beschwerte sich später: "Ich lief herum ... auf die Straße zu rufen, aber niemand folgte mir". Die für die Organisation bestimmten Geldbeträge wurden, nach den Worten Winbergs, von den höheren Mitgliedern entwendet oder verjubelt. Oberst Sidorin hatte sich, nach Denikins Behauptung, "in Finnland versteckt unter Mitnahme der letzten Reste der Organisationsgelder, etwa 150.000 Rubel". Lwow, den wir verhaftet im Winterpalais verlassen haben, erzählte später von einem Spender hinter den Kulissen, der Offizieren eine beträchtliche Summe auszuhändigen hatte, aber, auf dem verabredeten Platz angelangt, die Verschwörer in einem dermaßen betrunkenen Zustande vorfand, daß er sich nicht entschließen konnte, ihnen das Geld zu übergeben. Winberg selbst meint, ohne diese wahrhaft ärgerlichen "Zufälle" hätte der Plan durchaus von Erfolg gekrönt sein können. Doch bleibt die Frage: weshalb gruppierten sich um das patriotische Unternehmen vorwiegend Säufer, Defraudanten und Verräter? Vielleicht deshalb, weil jede historische Aufgabe die ihr adäquaten Kader mobilisiert?
Um die personelle Zusammensetzung der Verschwörer war es schlecht bestellt, beginnend mit der Spitze. "General Kornilow" war nach den Worten des rechten Kadetten Isgojew "der populärste General ... bei der friedlichen Bevölkerung, aber nicht bei den Truppen, wenigstens nicht bei jenen des Hinterlandes, die ich beobachten konnte." Unter der friedlichen Bevölkerung versteht Isgojew das Publikum vom Newski-Prospekt. Den Volksmassen der Front wie des Hinterlandes war Kornilow fremd, feindlich, verhaßt.
Der zum Kommandeur des 3. Kavalleriekorps ernannte General Krassnow, Monarchist, der bald danach versuchte, als Vasall bei Wilhelm II. unterzukommen, wunderte sich, daß "Kornilow, der eine so große Sache vorhatte, selbst in Mo-hilew blieb, im Schlosse, umgeben von den Turkmenen und Stoßbrigadlern, als glaubte er selbst nicht an den Erfolg". Auf die Frage des französischen Journalisten Claude Anet: weshalb Kornilow im entscheidenden Moment nicht selbst gegen Petrograd gezogen sei, - antwortete das Haupt der Verschwörung: "Ich war krank, ich hatte einen heftigen Malariaanfall, und mir fehlte die übliche Energie."
Zuviel der unglücklichen Zufälle: so pflegt es stets zu gehen, wenn eine Sache von vornherein dem Untergang geweiht ist. In ihren Stimmungen schwankten die Verschwörer zwischen trunkenem Hochmut, dem das Meer bis zu den Knien reicht, und völligem Versagen vor dem ersten realen Hindernis. Es ging nicht um Kornilows Malaria, sondern um eine weitaus tiefere, fatalere, unheilbare Krankheit, die den Willen der besitzenden Klassen paralysierte.
Die Kadetten bestritten ernstlich Kornilows konterrevolutionäre Absichten, worunter sie die Restauration der Roma-nowschen Monarchie verstanden. Als handelte es sich darum! Der "Republikanismus" Kornilows hinderte in keiner Weise den Monarchisten Lukomski, mit ihm Hand in Hand zu gehen, und ebensowenig den Vorsitzenden des Verbandes Echtrussischer Leute, Rimskij-Korssakow, Kornilow am Tage des Aufstandes zu telegraphieren: "Ich bete heiß zu Gott, er möge Ihnen helfen, Rußland zu retten; stelle mich zu Ihrer vollen Verfügung." Die Schwarzhundertanhänger des Zarismus schreckte das billige republikanische Fähnchen nicht ab. Sie begriffen, daß das Programm Kornilows in ihm selbst lag, in seiner Vergangenheit, seinen Kosakenabzeichen, seinen
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