Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
"Direktorium" General Alexejew aufzunehmen. Der Kadett Kokoschkin meinte, Alexejew müsse an die Spitze der Regierung gestellt werden. Laut einigen Zeugenaussagen stammte der Vorschlag, die Macht einem anderen abzutreten, von Kerenski selbst, mit einem direkten Hinweis auf seine Unterredung mit Miljukow. Niemand erhob Widerspruch. Die Kandidatur Alexejew versöhnte alle. Miljukows Plan schien der Verwirklichung ganz, ganz nahe. Aber da ertönte, wie es sich im Augenblick höchster Spannung geziemt, ein dramatisches Klopfen an der Türe: Im Nebenzimmer wartete eine Deputation vom Komitee zum Kampfe gegen die Konterrevolution. Sie war zur rechten Zeit erschienen: eines der gefährlichsten Nester der Konterrevolution war die klägliche, feige und treulose Beratung der Kornilowanhänger, Vermittler und Kapitulanten im Saale des Winterpalais.
Das neue Sowjetorgan war in einer vereinigten Sitzung beider Exekutivkomitees, der Arbeiter und Soldaten und der Bauern, am Abend des 27. geschaffen worden und bestand aus Sonderdelegierten der drei Sowjetparteien, der beiden Exekutivkomitees, des Gewerkschaftszentrums und des Petrograder Sowjets. Die Schaffung eines Kampfkomitees ad hoc war eigentlich ein Eingeständnis, daß die führenden Sowjetinstitutionen sich selbst gebrechlich fühlten und für die revolutionären Aufgaben neuen Blutzustrom brauchten.
Gezwungen, gegen den General die Unterstützung der Massen zu suchen, beeilten sich die Versöhnler, ihre linke Schulter vorzurecken. Jäh vergessen waren die Reden davon, daß alle prinzipiellen Fragen bis zur Konstituierenden Versammlung vertagt werden müßten. Die Menschewiki erklärten, sie würden von der Regierung sofortige Proklamie-rung der demokratischen Republik, Auflösung der Reichsduma und Durchführung von Agrarreformen fordern: dies ist der Grund, weshalb der Name Republik zum ersten Male in einer Regierungserklärung anläßlich des Verrates des Höchstkommandierenden auftaucht.
In der Frage der Macht sprachen sich die Exekutivkomitees für die Notwendigkeit aus: vorläufig die Regierung in alter Gestalt zu belassen und nur die ausgeschiedenen Kadetten durch demokratische Elemente zu ersetzen; für eine endgültige Beschlußfassung in dieser Frage in nächster Zeit eine Konferenz aller in Moskau auf der Plattform Tschcheidses vereinigten Organisationen einzuberufen. Nach den nächtlichen Verhandlungen wurde es aber klar, daß Kerenski sich gegen eine demokratische Kontrolle der Regierung entschieden sträubte. Im Gefühl, daß ihm der Boden von rechts und links schwindet, klammert er sich mit allen Kräften an die Form des "Direktoriums", in der für ihn sich die noch nicht abgekühlten Träume von der starken Macht konzentrieren. Nach neuen, qualvollen und fruchtlosen Debatten im Smolny wurde beschlossen, sich nochmals an den einen und unersetzlichen Kerenski zu wenden mit der Bitte, dem ursprünglichen Entwurf des Exekutivkomitees zuzustimmen. Um 71/2 Uhr morgens kehrt Zeretelli mit dem Bericht zurück, Kerenski gehe auf keine Zugeständnisse ein, sondern fordere "vorbehaltlose Unterstützung", jedoch sei er bereit, "alle Kräfte des Staates" auf den Kampf gegen die Konterrevolution zu richten. Die vom nächtlichen Wachen erschöpften Exekutivkomitees ergeben sich schließlich in die wie Spreu leere Idee des "Direktoriums"
Das von Kerenski feierlich gegebene Versprechen, "die Kräfte des Staates" in den Kampf gegen Kornilow zu werfen, hinderte ihn, wie wir bereits wissen, nicht, mit Miljukow, Alexejew und den verabschiedeten Ministern Verhandlungen zu führen über eine friedliche Kapitulation vor dem Hauptquartier, die durch das nächtliche Klopfen an der Tür unterbrochen wurden. Einige Tage später erstattete der Menschewik Bogdanow, einer der Führer des Komitees der Verteidigung, in vorsichtigen, aber unzweideutigen Worten dem Petrograder Sowjet Bericht über den Treubruch Kerenskis. "Als die Provisorische Regierung zu schwanken begann und es nicht klar war, womit das Kornilowsche Abenteuer enden würde, tauchten Vermittler auf von der Art Miljukows und Alexejews" ... Das Komitee der Verteidigung mischte sich ein und verlangte "mit aller Energie" den offenen Kampf "Unter unserem Einfluß", fuhr Bogdanow fort, "brach die Regierung jegliche Verhandlungen ab und verwarf alle Vorschläge Kornilows" ...
Nachdem das Regierungsoberhaupt, der gestrige Verschwörer gegen das linke Lager, dessen politischer Gefangener geworden war, erklärten die kadettischen
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