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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Politik Die proletarischen Bezirke lebten auf.
    Während man oben, im Winterpalais und im Taurischen Palais, eine neue Koalition zimmerte, sich einigte, trennte und wieder zusammenkleisterte, vollzog sich in den gleichen Tagen und sogar Stunden, vom 21.-22. Juli, in Petrograd ein höchst bedeutsames, in der offiziellen Welt kaum beachtetes Ereignis, das aber die Festigung einer anderen, solideren Koalition anzeigte: die der Petrograder Arbeiter mit den Soldaten der aktiven Armee. In die Hauptstadt kamen Frontdelegierte mit Protesten ihrer Truppenteile gegen die Erdrosselung der Revolution an der Front. Etliche Tage klopften sie vergebens an die Türe des Exekutivkomitees. Man ließ sie nicht vor, wies sie ab, versuchte sie loszuwerden. Unterdessen trafen neue Delegierte ein und machten den gleichen Weg durch. Die Abgewiesenen stießen in Korridoren und Wartezimmern aufeinander, beklagten sich, schimpften und suchten gemeinsam einen Ausweg. Dabei halfen ihnen die Bolschewiki. Die Delegierten beschlossen, ihre Gedanken auszutauschen mit den hauptstädtischen Arbeitern, Soldaten, Matrosen, die sie mit offenen Armen empfingen, ihnen Unterkunft und Verpflegung besorgten. An der Beratung, die niemand von oben einberufen hatte, die von unten erwachsen war, beteiligten sich Vertreter von neunundzwanzig
    Frontregimentern, neunzig Petrograder Betrieben, von Kronstädter Seeleuten und den umliegenden Garnisonen. Im Zentrum der Beratung standen die Delegierten der Schützengräben, unter ihnen waren auch einige jüngere Offiziere. Die Petrograder Arbeiter hörten mit Gier den Frontlern zu, bemüht, kein Wort davon zu verlieren. Diese erzählten, wie die Offensive und deren Folgen die Revolution auffraßen. Graue Soldaten, nicht im mindesten Agitatoren, schilderten in ungekünstelten Reden den Alltag des Frontdaseins. Diese Details wirkten erschütternd, denn sie zeigten anschaulich, wie sich das Alte, Vorrevolutionäre, Verhaßte wieder einschlich. Der Kontrast zwischen gestrigen Hoffnungen und heutiger Wirklichkeit traf die Herzen und stimmte sie auf einen Ton. Wenn auch bei den Frontsoldaten allem Anschein nach Sozialrevolutionäre überwogen, wurde eine scharfe bolschewistische Resolution fast einstimmig angenommen: nur vier Mann enthielten sich der Abstimmung. Die angenommene Resolution wird kein toter Buchstabe bleiben: zurückgekehrt, werden die Delegierten die Wahrheit erzählen, wie sie von den Versöhnlerführern zurückgestoßen und wie sie von den Arbeitern aufgenommen wurden, - den eigenen Berichterstattern werden die Schützengräben Glauben schenken, sie betrügen nicht.
    In der Petrograder Garnison selbst zeigte sich der Beginn der Wendung am Ende des Monats, besonders nach dem Meeting mit den Frontvertretern. Zwar konnten sich die Regimenter, die am schwersten gelitten hatten, von der Apathie noch immer nicht erholen. Dafür aber stieg in jenen Regimentern, die die patriotischen Positionen am längsten gehalten und die Disziplin über die ersten Revolutionsmonate hinweg bewahrt hatten, der Einfluß der Partei zusehends. Es begann auch die Militärische Organisation sich zu erholen, die besonders grausam unter den Schlägen gelitten hatte. Wie stets nach Niederlagen, sah man in Parteikreisen wenig wohlwollend auf die Leiter der militärischen Arbeit und stellte ihnen die wirklichen wie die vermeintlichen Fehler und Übersteigerungen in Rechnung. Das Zentralkomitee zog die Militärische Organisation näher an sich heran, errichtete über sie durch Swerdlow und Dserschinski eine unmittelbarere Kontrolle, und die Arbeit kam wieder in Fluß, langsamer als früher, aber zuverlässiger.
    Ende Juli war die frühere Lage der Bolschewiki in den Petrograder Betrieben bereits wieder hergestellt: die Arbeiter schlossen sich unter dem gleichen Banner zusammen, doch waren es nun andere Arbeiter, reifere, das heißt vorsichtigere, aber auch entschlossenere. "In den Betrieben genießen wir einen kolossalen, uneingeschränkten Einfluß", berichtete Wolodarski am 27. Juli auf dem Parteitag der Bolschewiki. "Die Parteiarbeit wird hauptsächlich von den Arbeitern selbst geleistet ... Die Organisation ist von unten erwachsen, und wir haben deshalb allen Grund zu glauben, daß sie nicht auseinanderfallen wird." Der Jugendverband zählte zu jener Zeit annähernd fünfzigtausend Mitglieder und geriet immer mehr unter bolschewistischen Einfluß. Am 7. August nahm die Arbeitersektion des Sowjets eine Resolution über Abschaffung der

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