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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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unbrauchbar machten. Ich kenne Eisenbahnbeamte, die von Arbeitern bei Beschädigung von Lokomotiven ertappt wurden." Dies war die grausame ökonomische Realität. Sie entsprach nicht den Versöhnlerillusionen, nicht der Koalitionspolitik, sondern der Vorbereitung des Kornilowschen Aufstandes.
    An der Front konnte sich die heilige Allianz ebensowenig durchsetzen wie im Hinterlande. Verhaftungen einzelner Bol-schewiki, klagt Stankewitsch, lösten die Frage nicht. "Das Verbrecherische lag in der Luft, aber seine Konturen zeigten sich nicht klar umrissen, weil die ganze Masse infiziert war." Wenn die Soldaten zurückhaltender geworden waren, so nur deshalb, weil sie gelernt hatten, bis zu einem gewissen Grade ihren Haß zu disziplinieren. Ging er aber mit ihnen durch, dann kamen ihre wirklichen Gefühle um so krasser zum Vorschein. Eine Kompanie des Dubensker Regimentes, die wegen der Weigerung, einen neu ernannten Kompanieführer anzuerkennen, aufgelöst werden sollte, brachte noch einige Kompanien und schließlich das ganze Regiment zur Meuterei, und als der Regimentkommandeur den Versuch unternahm, die Ordnung mit Waffengewalt wieder herzustellen, wurde er mit Kolben erschlagen. Das geschah am 31. Juli. Kam es in anderen Regimentern nicht so weit, so konnte es, nach dem inneren Gefühl des Kommandobestandes, stets dahin kommen.
    Mitte August berichtete General Schtscherbatschew ins Hauptquartier: "Die Stimmung der Infanterietruppenteile, mit Ausnahme der Todesbataillone, ist völlig unbeständig - manchmal ändert sie sich in wenigen Tagen bei einigen Infanterietruppenteilen schroff in diametral entgegengesetzter Richtung." Viele Kommissare fingen an zu begreifen, daß die Julimethoden keinen Ausweg boten. "Die Praxis der Anwendung von revolutionären Feldgerichten an der Westfront", meldete am 22. August der Kommissar Jamandt, "bringt schreckliche Uneinigkeit zwischen Kommandobestand und Bevölkerungsmasse und diskreditiert die Idee dieser Gerichte an sich ..." Das Kornilowsche Rettungsprogramm war bereits vor dem Aufstand des Hauptquartiers hinreichend ausprobiert worden und hatte in die gleiche Sackgasse geführt. Mehr als alles andere fürchteten die besitzenden Klassen Anzeichen der Zersetzung des Kosakentums: von dort drohte der Zusammenbruch der letzten Schutzwehr. Kosakenregimenter hatten im Februar in Petrograd die Monarchie widerstandslos ausgeliefert. Zwar hatten die Kosakenbehörden bei sich daheim, in Nowotscherkassk, versucht, die telegraphische Nachricht von der Umwälzung zu verheimlichen, und am 1. März mit üblicher Feierlichkeit die Messe für Alexander II. abgehalten. Letzten Endes aber war das Kosakentum bereit, ohne Zaren auszukommen, und entdeckte sogar in seiner Vergangenheit republikanische Traditionen. Doch darüber hinaus wollte es nicht gehen. Die Kosaken hatten sich von Anfang an geweigert, Deputierte in den Petrograder Sowjet zu entsenden, um sich nicht den Arbeitern und Soldaten anzugleichen, und einen Sowjet der Kosakenheere gebildet, der alle zwölf Kosakenheere in der Person ihrer Hinterlandspitzen umfaßte. Die Bourgeoisie war bestrebt, und nicht ohne Erfolg, sich auf die Kosaken gegen die Arbeiter und Bauern zu stützen.
    Die politische Rolle des Kosakentums war durch seine besondere Lage im Staat bestimmt. Das Kosakentum bildete von jeher einen eigenartigen privilegierten unteren Stand. Der Kosak zahlte keinerlei Steuern und verfügte über einen bedeutend größeren Bodenanteil als der Bauer. In drei benachbarten Distrikten, Don, Kuban und Twer, hatte eine Bevölkerung von drei Millionen Kosaken dreiundzwanzig Millionen Deßjatinen Land in ihren Händen, während auf 4,3 Millionen Seelen der bäuerlichen Bevölkerung der gleichen Distrikte nur sechs Millionen Deßjatinen entfielen: pro Kopf eines Kosaken durchschnittlich fünfmal mehr als auf einen Bauern. Unter dem Kosakentum selbst war der Boden natürlich äußerst ungleichmäßig verteilt. Hier gab es Gutsbesitzer und Kulaken, mächtigere als im Norden; es gab auch arme Bauern. Jeder Kosak war verpflichtet, auf den ersten Ruf des Staates hin mit eigenem Pferd und eigener Ausrüstung zu erscheinen. Die reichen Kosaken deckten diese Ausgaben in Überfluß durch die Steuerfreiheit. Die unteren Schichten krümmten sich unter dem Joch der Kosakenpflichten. Diese grundlegenden Hinweise erklären zur Genüge die widerspruchsvolle Lage des Kosakentums. Seine unteren Schichten berührten sich nahe mit der Bauernschaft, die Spitzen mit

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