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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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der führenden bürgerlichen Partei, war offensichtlicher Unsinn. Darauf verwies Kamenjew, als er bei der vereinigten Sitzung der Exekutivkomitees in dem ihm eigenen Tone der Ermahnung Schlußfolgerungen aus den frischen Ereignissen zog. "Ihr wollt uns auf den noch gefährlicheren Weg einer Koalition mit unverantwortlichen Gruppen werfen. Doch ihr habt eine Koalition vergessen, die sich gesammelt und gefestigt hat durch die verhängnisvollen Ereignisse der letzten Tage - die Koalition zwischen revolutionärem Proletariat, Bauernschaft und revolutionärer Armee." Der bolschewistische Redner erinnerte an die von Trotzki am 26. Mai zur Verteidigung der Kronstädter gegen Zeretellis Anklagen gesprochenen Worte: "Wenn ein konterrevolutionärer General versuchen sollte, der Revolution eine Schlinge um den Hals zu werfen, werden Kadetten den Strick einseifen, Kronstädter Matrosen aber werden kommen, um mit euch zusammen zu kämpfen und zu sterben." Diese Erwähnung traf den Kern. Auf das Gerede von "Einheit der Demokratie" und "ehrlicher Koalition" antwortete Kamenjew: "Die Einheit der Demokratie hängt davon ab, ob ihr eine Koalition mit dem Wyborger Bezirk eingehen werdet oder nicht ... Jede andere Koalition ist ehrlos." Kamenjews Rede machte unleugbar Eindruck, den Suchanow mit den Worten registriert: "Sehr klug und taktisch sprach Kamenjew." Doch über einen Eindruck ging die Sache nicht hinaus. Die Wege beider Parteien waren vorausbestimmt.
    Der Bruch der Versöhnler mit den Kadetten hatte im wesentlichen von Anfang an rein demonstrativen Charakter. Die liberalen Kornilowianer begriffen selbst, daß es für sie besser war, den nächsten Tagen sich im Schatten zu halten. Hinter den Kulissen wurde in offensichtlicher Übereinstimmung mit den Kadetten beschlossen, eine sich derart über sämtliche realen Kräfte der Nation erhebende Regierung zu schaffen, daß ihr provisorischer Charakter bei niemand Zweifel hervorrufen könnte. Außer Kerenski gehörten dem fünfgliedrigen Direktorium an: Außenminister Te-reschtschenko, der wegen seiner Verbindung mit der Ententediplomatie bereits unersetzbar geworden war; der Moskauer Kreiskommandierende Werschowski, zu diesem Zwecke schleunigst vom Oberst zum General befördert; Admiral Werderewski, zu diesem Zwecke schleunigst aus dem Gefängnis befreit; schließlich der zweifelhafte Menschewik Nikitin, den seine Partei kurz darauf als reif für den Ausschluß aus ihren Reihen erkannte.
    Nachdem Kerenski mit fremden Händen Kornilow besiegt hatte, schien es, als sei er einzig darum besorgt, dessen Programm in die Wirklichkeit durchzusetzen. Kornilow hatte die Macht des Höchstkommandierenden mit der Macht des
    Regierungsoberhauptes vereinigen wollen. Kerenski verwirklichte das. Kornilow hatte beabsichtigt, die persönliche Diktatur durch ein fünfgliedriges Direktorium zu verschleiern. Kerenski führte das durch. Tschernow, dessen Absetzung die Bourgeoisie gefordert hatte, wurde von Kerenski aus dem Winterpalais hinausgesetzt. General Alexejew, Held der Kadettenpartei und deren Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten, ernannte er zum Generalstabschef des Hauptquartiers, das heißt faktisch zum Haupt der Armee. In einem Befehl an Armee und Flotte verlangte Kerenski Einstellung des politischen Kampfes bei den Truppen, das heißt Wiederherstellung der Ausgangsposition. Aus seinem Versteck charakterisierte Lenin die Lage mit der ihm eigenen höchsten Einfachheit: "Kerenski ist Kornilowianer, der sich zufällig mit Kornilow verzankt hat und mit den übrigen Kornilowianern weiter im intimsten Bunde bleibt." Aber ein Pech: der über die Konterrevolution errungene Sieg ist viel tiefer, als es für Kerenskis persönliche Pläne nötig war. Das Direktorium beeilte sich, den früheren Kriegsminister Gutschkow, der als einer der Verschwörerinspiratoren galt, aus dem Gefängnis zu befreien. Gegen die Inspiratoren aus den Reihen der Kadetten erhob die Justiz den Arm überhaupt nicht. Die Bolschewiki weiter hinter Schloß und Riegel zu halten, wurde unter diesen Umständen immer schwieriger. Die Regierung fand einen Ausweg: ohne die Anklage aufzuheben, die Bolschewiki gegen Kaution zu entlassen. Der Petrograder Sowjet der Gewerkschaften übernahm "die Ehre, für den verdienstvollen Führer des revolutionären Proletariats die Kaution zu stellen": am 4. September wurde Trotzki gegen die bescheidene, im wesentlichen fiktive Kaution von 3.000 Rubel enthaftet. In seiner Geschichte der

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